Hoffnung ist mehr als ein Wort (Bianca) (German Edition)
Sollte er sich anständig verhalten und der Freundin seiner Schwester helfen? Zweifellos ging es um Geldsorgen oder Beziehungsprobleme. Vorübergehend frustrierend, aber letztendlich lösbar. Oder sollte er die Fusion zum Abschluss bringen, an der er seit über einem Jahr arbeitete und die Rose Industries schlappe fünfzig Millionen netto einbringen sollte?
„Entschuldige“, sagte er zu der Frau, die aus einem anderen Leben zu stammen schien, einem Leben, in dem er noch nicht so abgestumpft und der Welt überdrüssig gewesen war wie heute. „Ich muss diesen Anruf entgegennehmen.“
Sie nickte und schniefte.
Er klopfte ihr noch einmal auf den Rücken und setzte sich an den Schreibtisch.
Fünf Minuten später beendete er das Telefonat. „Geht’s dir wieder besser?“
„Nein“, sagte sie, obwohl sie nickte.
„Nun, falls es sich um Liebesdinge handelt – zweifellos weißt du von Marlene und ihrem losen Mundwerk, dass ich damit nichts anfangen kann. Also werde ich dir gar nicht gut helfen können. Wenn dir allerdings Gläubiger im Nacken sitzen, schaue ich gern nach, was ich für dich tun kann.“
„D…Danke. Keins von beidem trifft zu. Ich wünschte, es wäre anders, aber …“
Erneut meldete sich seine Sekretärin. „Mr Callahan, Helena Liatos ist auf Leitung zwei. Angeblich ist es äußerst dringend.“
„Nur zu“, murmelte Kit, „was ich dir zu sagen habe, kann warten. Deine Schwester ist ja schon gestorben.“
Er telefonierte gut zwei Minuten mit jener Helena, bevor er sie mit seinem Disponenten verband.
Dann wandte er sich wieder an Kit. „ Was hast du vorhin gesagt?“
„Tut mir leid, Travis. Ich wollte es dir schonend beibringen, aber …“
„Hör mal, ich weiß, dass ich Marlie nicht oft genug besuche. Und was dich angeht – nun, die Sache zwischen uns war schon bemerkenswert. Aber ich sehe wirklich nicht ein, wieso ihr beide euch das Recht herausnehmt, mir den Tag mit kranken Späßen zu vermiesen.“
„Glaub mir, das ist kein Scherz.“ Sie schluckte schwer. „Es tut mir leid, echt leid. Deine Schwester ist wirklich tot.“
„Wie bitte?“ Fassungslos sprang er vom Stuhl auf. „Red keinen Unsinn!“
Stumm holte sie einen Zeitungsausschnitt aus ihrer Korbtasche und reichte ihn Travis. Unter der Schlagzeile Unfall zerstört junge Familie befanden sich zwei Fotos. Auf einem war ein zerknautschtes Auto zu sehen.
Das andere Foto zeigte seine Nichte Libby und war vor vier Wochen im Einkaufszentrum von Hartsville entstanden. Das wusste er genau, weil Marlene ihm einen Abzug geschickt hatte. Damit er ein schlechtes Gewissen bekam, weil er die Entwicklung seines Patenkindes verpasste.
In seine Gedanken hinein erklärte Kit: „Ich habe auf Libby aufgepasst, damit Marlene und Gary einen Abend für sich haben. Sie sind zu Joe’s Tavern gefahren. Du weißt schon, der Tanzschuppen am Highway 14. Weil Marlene so gern tanzt – getanzt hat .“
Sie schluchzte auf. „Jedenfalls hat Gary den ganzen Abend keinen Tropfen getrunken, aber da draußen wird es oft sehr neblig. Ein Lkw hat die Kurve bei der verlassenen Tankstelle geschnitten. Gary war sofort tot. Marlene hat lange genug durchgehalten, um …“
„Nein!“ Fassungslos schüttelte er den Kopf und stürmte zu der Fensterwand, die einen atemberaubenden Blick auf Lake Michigan bot.
Draußen war es windig und auf dem See wimmelte es von Segelbooten. Travis wollte schon immer segeln lernen, nur fehlte ihm die Zeit dazu. Wenn Marlie endlich nach Chicago zurückkommt, können wir uns ja gemeinsam ein Boot anschaffen mit einem geschützten Deck für Libby und für Gary, der zwar eine Landratte ist, aber trotzdem ein großartiger Kerl …
Travis presste sich die Handballen auf die brennenden Augen und kniff die Lippen zusammen. Einen Moment später sagte er: „Ich habe gerade erst letzte Woche mit Marlie gesprochen. Also kann das da nicht stimmen.“ Er tippte auf den Zeitungsausschnitt. „Ich erinnere mich genau, weil sie mich gedrängt hat, zum 4. Juli nach Arkansas zu kommen. Aber wegen der bevorstehenden Fusion …“
„Die Polizei wollte dich telefonisch informieren. Ich hielt es für besser, es dir persönlich zu sagen.“
„Unsere Großeltern wollten immer, dass sie zurückkommt. Ihr Platz war hier .“
„Ach, sie hat so oft gesagt, dass sie keinen Geschäftssinn hat. Du musst doch wissen, wie sehr sie Gary und ihr Leben in IdaBelle Falls geliebt hat. Sie war glücklich. Mit dir zusammen bei Rose Industries zu
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