Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
fragt flüsternd über die Schulter, ob das Schnaps sei. Ist es das, was Alex so begeistert hat? Minken und Alex lachen beide über die Frage und nicken. Was glaubt sie denn? Was sonst?
»Okay, aber was machen wir jetzt?«, fragt Alex auffordernd und ruckelt und reißt an allen Türgriffen des Busses. Bei jeder verschlossenen Tür flucht sie, seufzt ungeduldig und verschwindet wieder in der Dunkelheit.
»Steht der hier schon lange?«
Jonna beißt sich auf die Lippe und versucht, Blickkontakt mit Minken zu bekommen. Er hat nicht auf die Frage von Alex geantwortet, sondern lehnt an einem Betonpfeiler und hat wieder angefangen, mit dem Kolben herumzuspielen. Sein deutlicher Widerwillen überträgt sich auf Jonna. Will man wirklich etwas trinken, das von solch einem widerlichen Ort kommt? Sollten sie nicht lieber abhauen?
»Vorgestern Nacht waren wir zuletzt hier. Also höchstens zwei Tage.«
Minken zeigt auf ein Graffito an der Wand, da steht irgendetwas in eckigen Buchstaben, aber es ist nicht zu erkennen, was. Vielleicht ist das Gemälde noch nicht fertig.
»Manchmal gehen wir auch mittags hier vorbei, wir legen in den Wohnungen am Hornsplan Fußböden, und dann essen wir an der Grillbude da hinten.«
Er deutet hinüber und nickt, als Jonna ihn fragt, ob er Schreiner sei.
»Ich bin im Fryshuset Skateboard gefahren, aber jetzt schaff ich aufm Bau. Mein Alter organisiert mir die Jobs.«
Jonna merkt, wie sie erleichtert ist. Ein Skatertyp, der als Schreiner arbeitet. Garantiert niemand, den man im BGs aufreißt, und garantiert kein Pädo.
»Und du? Gymnasium?«
Sie kommt nicht dazu zu antworten, denn plötzlich hören sie ein Geklapper, sodass sie beide zusammenfahren und sich umsehen.
»Das war nur ich!«, ruft Alex und ist schon wieder da. Sie hat ein langes Eisending in der Hand, wie das Rohr eines Staubsaugers, aber gröber, und sie zeigt ihnen, wie es klappert, wenn es gegen etwas am Boden stößt. Und dann lacht sie über Jonnas und Minkens Gesichter.
»Jetzt seid mal locker. Was ist denn mit euch?«
»Was hast du vor?«
Alex ignoriert Minkens Frage, geht stattdessen zum Bus und zielt mit dem Rohr auf eines der Seitenfenster.
»Hör auf! Komm, wir lassen das hier sein!« Minken packt das Rohr, Alex zischt ihn an, lässt aber los und scheppert wieder, weshalb Minken erschrocken »Pst!« zischt.
»Aber hier ist doch niemand, oder?«
Das Rohr rollt unter den Bus, und Alex stöhnt. Sie verschwindet wieder in der Dunkelheit und kommt mit einem großen Betonklumpen im Arm wieder.
»Jetzt hör auf, Alex! Wir wissen gar nichts über diesen Bus.«
»Aber du hast ihn uns doch gezeigt, und jetzt willst du dich verdrücken, oder was?«
»Der hat hier noch nie gestanden.«
»Oh nee, warum bist du nur immer so, wenn du was machen sollst?«
»Alex, wir wissen nicht einmal, wem der Bus und die Flaschen gehören. Wir wissen gar nichts.«
Sie verdreht die Augen und lässt den Betonklumpen fallen. Aber das tut sie nur, damit sie ihre Hände auf Minkens Wangen legen kann.
»Jetzt dreh mal nicht durch, ja! Hier ist kein Mensch, und wir wollen nur eine einfache kleine Sache machen, das wird gar kein Problem sein.«
Jonna steht dabei und hält den Atem an. Minken sieht verunsichert aus, aber Alex fährt im selben Ton fort: »Außerdem ist bald Weihnachten! Wir machen das hier, und dann feiern wir heute Abend ein bisschen, und es wird schön fröhlich und warm …« Plötzlich unterbricht sie sich selbst und ruft in alle Richtungen: »Hallo? Hallo!«
Sie ruft zu den Stegen und zum Wasser hin, zu den ebenen Flächen und zu dem Berg mit dem einsamen Weihnachtsbaum auf der Spitze und in die Dunkelheit unter der Brücke.
»Hallo? HALLO!«
Außer ein paar Tauben, die aufflattern und davonfliegen, gibt es keinerlei Lebenszeichen. Das hier unter der Brücke ist ein vergessener Ort im Universum, die Mädchenstimme hallt an den Betonwänden wider, wird aber schnell vom Rauschen des Verkehrs in der Dunkelheit erstickt. Dann ist es wieder unheimlich einsam.
»Siehst du, hier ist niemand außer uns.«
Jonna schaudert, die Furcht sitzt dicht unter der Haut, als sie sieht, wie Minken dem ganzen Gerede plötzlich nachgibt und Alex zunickt.
»Na gut«, sagt er. »Wir machen es.«
Jonna muss Schmiere stehen.
Wie ein Eiszapfen verharrt sie unter der Straßenlaterne mit Sicht in alle Richtungen, und alles um sie herum ist einfach nur leer und kalt. Und dunkel. Alex und Minken sind direkt vor ihr, sie weiß es, aber sie kann
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