Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 9
schon aus England mitgenommen und wollte es hier in Indien weiter verfeinern. Ich führte es in meiner Reisetasche mit mir. Als Makhras mit seiner Geisel erschien, habe ich mich versteckt und den Tempel heimlich durch einen Nebeneingang verlassen. Im Hof stand ja immer noch die Kupfer-Krabbe, in der sich auch unser Gepäck befand. Ich musste nur noch den Mini-Drehflügler herausholen und mich noch einmal verbergen. Dann habe ich auf die passende Gelegenheit gewartet, um Makhras anzugreifen. Ich dachte mir, dass er mit einer solchen Attacke aus der Luft gewiss nicht rechnet.“
„Und was für einen Antrieb hat Ihr kleines Fluggerät?“, fragte Kate neugierig.
„Mein Drehflügler wird durch einen filigranen Uhrwerkmechanismus angetrieben, der sich mittels eines Schlüssels aufziehen lässt. Das ist auch bisher der größte Nachteil meiner Erfindung, denn die Flugmaschine bleibt momentan nur wenige Minuten in der Luft.“
„Aber das hat völlig ausgereicht, um unseren Feind kaltzustellen!“, rief Kate. Und dann fiel sie Phineas Fletcher spontan um den Hals und gab ihm vor lauter Dankbarkeit einen Kuss auf die Wange. Der Erfinder grinste verlegen und nahm seinen Kneifer ab. Er konnte durch die beschlagenen Brillengläser nichts mehr sehen.
Bone-Carruthers baute sich vor dem gefesselten Makhras auf. „Sie haben ja in den vergangenen Monaten ein übles Spiel getrieben, alter Junge. Warum Sie diesen verfluchten Roboter-Tiger auf die Menschheit losgelassen haben, das können Sie bald vor Gericht erklären.“
Der Aufrührer warf dem Großwildjäger einen heimtückischen Blick zu, antwortete aber nicht. Dafür ergriff nun James das Wort. Er wandte sich an Kate, die endlich ihre völlig erschöpfte und verängstigte Freundin Eileen in die Arme geschlossen hatte.
„Das hier ist vielleicht nicht gerade der passende Ort, obwohl diese verfallene Tempelanlage irgendwie auch wildromantisch ist. Aber ich möchte dich jetzt endlich fragen, ob du meine Frau werden willst, Kate.“
James kniete sich vor sie hin und schaute sie erwartungsvoll an. Kate war gerührt. Zwar hatte sie damit gerechnet, irgendwann mit diesem Mann vor den Traualtar zu treten, denn schließlich waren sie ja schon miteinander verlobt. Aber nun rückte dieser unbestimmte Hochzeitstermin plötzlich in greifbare Nähe.
Und Kate war auch in diesem Fall eine Frau, die wusste, was sie wollte.
„Ja, das will ich sehr gerne, James.“ Kate deutete auf Eileen. „Und eine Trauzeugin habe ich auch schon.“
Kate Fentons Hochzeit sollte so außergewöhnlich werden wie ihr ganzes bisheriges Leben. Nachdenklich schaute sie aus dem Fenster ihres Hotelzimmers. Kate hatte sich extra für ihre Eheschließung hier eingemietet. Sie hatte nämlich von ihrem Standpunkt aus einen Panoramablick auf St. Bartholomew-The-Great. In dieser Kirche im Londoner Stadtteil Smithfield wollte sie in weniger als einer Stunde mit James vor den Traualtar treten. Kate hatte lange überlegt, in welchem Gotteshaus sie getraut werden wollte.
St. Bartholomew-The-Great war eine Kirche, die ursprünglich 1123 errichtet worden war. In späteren Jahrhunderten hatte man den Sakralbau immer wieder erweitert und verändert, wodurch das Gebäude einen absurden Baustil-Mix aufwies. Die Kirche war also widersprüchlich und einmalig, genau wie Kate selbst.
Auch an ihrem großen Tag hatte Kate es sich nicht nehmen lassen, ihre widerspenstigen Korkenzieher-Locken höchstpersönlich mit der Brennschere in die passende Form zu bringen. Sie riss sich vom Anblick der seltsamen Kirche los und blickte in den dreiteiligen Frisierspiegel ihres Hotelzimmers.
Sie dachte an die Ereignisse in Britisch-Indien, die nun auch schon wieder ein Vierteljahr zurück lagen. Die Kupfer-Krabbe war nach dem Kampf mit dem Roboter-Tiger für eine längere Fahrt zu stark beschädigt gewesen. Also hatten Kate und ihre Gefährten mit dem gefangenen Makhras zu Fuß ins nächste Dorf marschieren müssen. Auf dem Weg dorthin war es zu einem halbherzigen Befreiungsversuch durch einige Anhänger des Fanatikers gekommen. Aber die Attacke konnte durch Khapa und Bone-Carruthers abgewehrt werden. Makhras war dann der Polizei übergeben worden, und Kate hatte planmäßig ihren großen Auftritt bei der Flugschau gehabt.
Das Gerücht von Kates Beteiligung an der Verhaftung des Aufrührers hatte sich schnell verbreitet. Daher war die Neugier auf die englische Dampfkutter-Pilotin riesig gewesen. Der Flug über die märchenhafte Metropole
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