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Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Titel: Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Am Abgrund
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»Aber ich weiß, wie man ihn ruft. Wer ist Bruder Domenicus, und warum habt ihr die Delãnys überfallen?«
Draskovic zitterte immer heftiger, und die Angst in seinen Augen wurde zu etwas, das die Grenzen des Wahnsinns berührte.
Dann begann er zu reden.

4
    Es würde wohl Mitternacht werden, bis sie Constãntã erreichten, und diese Nacht war schon jetzt viel kälter als die zurückliegenden. Seit einer Stunde konnten sie das Meer riechen, und die Temperaturen schienen mit jeder Meile, die sie sich der Küste näherten, weiter zu fallen. Der Winter war noch zu weit entfernt, als daß sie mit Schnee rechnen mußten, aber kalt genug dazu war es, zumindest nach Andrejs Empfinden.
    Delãny wickelte sich zitternd enger in der Decke ein, die er um die Schultern geschlungen hatte, und wechselte auf die andere Seite des Pferdes, um auf diese Weise dem schneidenden Wind zu entgehen, der ihnen entgegenblies. Es half nichts. Er fror immer stärker, als käme die Kälte gar nicht von außen, sondern kröche aus seinem Inneren hervor.
    Obwohl sie seit Einbruch der Dämmerung auf den Schutz des Waldes verzichtet hatten und auf der schlecht gepflasterten Straße reisten, die nach Constãntã und zur Küste führte, kamen sie viel langsamer voran, als Andrej erwartet hatte. Sie konnten es nach wie vor nicht riskieren, mit Menschen zusammenzutreffen; nun vielleicht weniger denn je. Frederic hatte die letzten Tage über kaum ein Wort gesprochen, und Andrej konnte einfach nicht voraussagen, wie er reagieren würde, wenn sie einem Fremden begegneten.
    Er konnte nicht einmal mit Bestimmtheit vorhersagen, wie er reagieren würde. Das Gespräch mit Draskovic hatte lange gedauert, und was Andrej erfahren hatte, das hatte ihn nicht nur mit einer Mischung aus Entsetzen und Zorn erfüllt, die noch jetzt in ihm wühlte, sondern ihn auch zutiefst erschüttert. Möglicherweise sogar mehr, als ihm zu diesem Zeitpunkt bewußt war.
    »Wie weit ist es noch?« fragte Frederic leise.
    Delãny sah den Jungen einen Augenblick lang besorgt und zugleich abschätzend an. Frederic hatte kaum noch mit ihm gesprochen, seit sie das kleine Tal verlassen hatten, aber heute war er besonders schweigsam gewesen. Seit Einbruch der Dunkelheit waren es überhaupt die ersten Worte, zu denen er sich herabließ. »Noch ein gutes Stück«, sagte er schließlich. »Zwei oder drei Stunden. Vielleicht auch mehr.«
    Frederic zog mit der linken Hand die Decke zusammen, in die er sich ähnlich wie Andrej gewickelt hatte, und sah von der Höhe des Pferderückens nachdenklich auf ihn herab. Obwohl sie sich ganz nahe waren, reichte das Licht nicht aus, um den Ausdruck auf seinem Gesicht zu erkennen. Der Mond war zu einer schmalen Sichel zusammengeschmolzen, und ein guter Teil der Sterne am Himmel verbarg sich hinter schwarzen, tiefhängenden Wolken. Vielleicht war es gut, daß er Frederics Blick nicht genau sehen konnte. Der Junge hatte keinen Hehl daraus gemacht, daß er Draskovic am liebsten getötet hätte, und er verachtete Andrej dafür, daß dieser es nicht getan hatte.
    »Wieso reiten wir so langsam?« fragte er nach einer Weile.
     
    Weil wir ihnen zu nahe sind, dachte Delãny. Und weil ich nicht weiß, was ich tun soll, wenn wir sie tatsächlich einholen.
    Er hütete sich, diesen Gedanken laut auszusprechen, aber Tatsache war, daß sie Vater Domenicus und seine Schergen leicht hätten einholen können, hätte er es wirklich gewollt. Ihr Vorsprung betrug höchstens noch eine Stunde, eher weniger. Allein seit Einbruch der Dunkelheit glaubte Andrej die Nähe anderer Menschen gespürt zu haben, zweimal mindestens; ganz schwach nur, wie den ersten Schimmer von nicht mehr ganz so tiefem Schwarz am Horizont, kurz bevor der Morgen zu grauen beginnt - mehr Ahnung als Wissen. Aber das Gefühl war dagewesen, und schließlich fand er auch Spuren, die auf eine größere Menschengruppe hinwiesen, die kurz vor ihm hier entlanggekommen war. Er hatte jedes Mal angehalten und hatte sich genauer umgesehen; das verdächtige Aufblitzen von Metall im letzten Sonnenlicht oder die Reflexion glatt polierten Zaumzeugs wären ihm wohl ebensowenig verborgen geblieben wie das Schnauben der Pferde und das Klirren von Waffen. Schließlich hatte er keine besondere Lust, in einen zweiten und diesmal sicher besser vorbereiteten Hinterhalt zu tappen.
    »Du hast Angst«, sagte Frederic, als Andrej nicht auf
seine Frage antwortete. Seine Stimme troff vor Verachtung.
»Ich bin müde«, sagte Andrej leise.

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