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Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Titel: Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Am Abgrund
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erhobenem Schwert über ihm.
Andrej reagierte, ohne nachzudenken. Er hatte die Wahl, ein Leben zu nehmen oder eines zu retten, und er entschied sich instinktiv richtig: Statt den hilflos vor ihm Knienden zu enthaupten, wirbelte er herum und schleuderte sein Schwert. Die Waffe verwandelte sich in einen
    silbernen Blitz, traf den Mann über Frederic zwischen den Schulterblättern und schmetterte ihn zu Boden.
Aber den Bruchteil eines Atemzuges, bevor dies geschah, senkte sich sein Schwert auf Frederic hinab … Die Schreie des Jungen verstummten, und Andrej rannte los. Er konnte hören, wie der Goldene hinter ihm ein überraschtes Grunzen ausstieß und in die Höhe taumelte. Zweifellos würde er sich im nächsten Moment nach seiner Waffe bücken und ihn erneut angreifen.
Andrej verschwendete nicht einmal einen Gedanken daran. Frederic durfte nicht tot sein. Nicht auch noch er! Der Junge war alles, was ihm geblieben war. Mit fünf, sechs gewaltigen Sätzen erreichte er die Felsen, zwischen denen sich Frederic verkrochen hatte. Der tote Krieger war über dem Jungen zusammengebrochen, das Schwert war seiner Hand entglitten. Andrej registrierte entsetzt, daß die Klinge voller Blut war.
Mit einer gewaltigen Kraftanstrengung hievte er den Toten von Frederic herunter.
Der Körper des Jungen war voller Blut. Sein Hemd war aufgerissen, und das Fleisch darunter glitzerte im frischen Rot des Todes.
Er war zu spät gekommen, vielleicht nur um den Bruchteil einer Sekunde, aber trotzdem zu spät.
Frederic war tot.
Und im ersten Moment wollte er nichts anderes als Rache.
Der Schmerz, den er erwartet hatte, kam nicht. Er war nicht einmal wirklich erschrocken, aber die schwarze Flamme in seinem Inneren explodierte jäh zu einer brüllenden Feuersbrunst, die nach Nahrung schrie, nach Blut, um den Schmerz wegzuwischen, der ihm angetan worden war. Er fuhr herum, riß das Sarazenenschwert aus dem Körper des toten Kriegers und wandte sich wieder dem Waldrand zu. Er spürte noch immer nichts; nur diese schreckliche, verzehrende Kälte, mit der das schwarze Feuer in ihm nach Rache schrie.
Wie erwartet hatte der Goldene die Gelegenheit genutzt, sich aufzurichten und seine Waffe wieder an sich zu nehmen. Aber er verzichtete darauf, ihn anzugreifen. Der Mann in der goldschimmernden Rüstung stand hoch aufgerichtet, aber fast reglos am Waldrand und sah auf ihn herab.
Delãny machte einen Schritt auf ihn zu, blieb jedoch wieder stehen, als der Fremde den Kopf schüttelte.
»Nicht jetzt, Delãny«, sagte er.
»Komm her«, antwortete Andrej. »Bring es zu Ende - so oder so!«
»Nicht jetzt«, wiederholte der Fremde. »Du bist gut, Delãny - aber noch nicht gut genug. Wir sehen uns wieder, das verspreche ich dir.«
Und damit verschwand er, so schnell und lautlos, wie er aufgetaucht war. Andrej spürte seine Nähe noch für einen winzigen Augenblick, doch dann erlosch auch dieses Gefühl einer dunklen, dräuenden Präsenz, die bisher wie ein übler Geruch über dem Waldrand gelegen hatte.
Und endlich kam der Schmerz.
Andrejs Hände begannen zu zittern. Das schwarze Feuer in seiner Seele erlosch, doch zurück blieb keine Asche, sondern ein roter, brodelnder See aus schierer Pein. Seine Augen füllten sich mit Tränen, und seine Hände zitterten immer stärker. Er hatte Mühe, sein Schwert einzustecken, und die winzige Bewegung, sich zu Frederic herumzudrehen und auf den Jungen hinabzublicken, überstieg fast seine Kräfte.
Frederic lag auf dem Rücken. Seine Augen standen weit offen, und der Ausdruck darin schwankte zwischen Verständnislosigkeit und allmählich aufkeimendem, fassungslosen Entsetzen.
»Was … ist passiert?« murmelte er. »Hast du ihn getötet?«
Für die Dauer eines Herzschlages war Andrej einfach nicht fähig zu begreifen, was er sah. Frederic lebte. Er lag in einem See von Blut, seine Kleider waren zerfetzt, und er mußte furchtbar schlimm verletzt sein, aber er lebte!
Andrejs Fassungslosigkeit machte einer jähen, fast schmerzhaft tiefen Erleichterung Platz.
»Nicht bewegen!« sagte er hastig. »Um Gottes Willen, rühr dich nicht! Bleibe ganz ruhig liegen!«
Er ließ sich neben Frederic auf die Knie sinken und drückte die Schultern des Jungen zurück, als der sich aufrichten wollte.
»Hast du ihn getötet?« wiederholte Frederic. Seine Stimme klang belegt. Vielleicht war die Schwäche, die Andrej darin hörte, schon die erste Berührung des Todes.
Er schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Aber das spielt jetzt keine

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