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Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Titel: Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Am Abgrund
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näherten. Andrej sprang geradezu auf. Öliger Schweiß stand auf seiner Stirn, und seine Hand, die das Sarazenenschwert hielt, zitterte leicht. Er spähte durch eine Lücke zwischen den Brettern in die Gasse, konnte aber nichts erkennen.
»Siehst du jemanden?« fragte Frederic mit zitternder Stimme.
»Still jetzt«, zischte Andrej. »Da sind sie.«
In dem schmalen Ausschnitt, den die Lücke zwischen den Brettern in die Wirklichkeit schnitt, sah er das Stück einer Pferdemähne, einen Stattelknauf, das gepanzerte Bein eines Ritters, eine Schwertscheide, die durch das Auf und Ab des Rittes leicht schwankte … Seine Hand klammerte sich automatisch fester um den Griff seiner eigenen Klinge. Die zwei Männer in den goldenen Rüstungen ritten sehr langsam und schienen sich gründlich umzusehen. Andrej erwartete jeden Moment, einen Halteruf zu hören oder das Scharren eines Pferdehufes, das davon kündete, daß einer der Reiter sein Tier gezügelt hatte.
Aber nichts dergleichen geschah. Nach Sekunden, die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen, waren sie endlich - endlich! - vorbei. Andrej blieb noch eine ganze Weile in gespannter Haltung stehen, jederzeit darauf gefaßt, daß die beiden Reiter anhielten, um zurückzukehren und sich das verlassene Haus noch einmal genauer anzusehen. Doch dann verklang das Pferdegetrappel und ließ sie zurück in einem Versteck, das sie für den Moment gerettet hatte - und sich doch jederzeit als Todesfalle entpuppen konnte.

9
    »Der Einäugige Bär« entsprach so genau der Beschreibung, die Andrej von dem Wachposten bekommen hatte, daß er ihn auch ohne das unbeholfen gemalte Schild über der Tür gefunden und erkannt hätte. Die beiden Delãnys hatten weit über eine Stunde gebraucht, um den Hafen und damit die Straße zu erreichen, in der das Gasthaus lag, denn Andrej war sorgsam darauf bedacht gewesen, den Patrouillen auszuweichen, die in immer größerer Zahl aus dem Schloß strömten und die Straßen durchstreiften.
    Trotzdem blieb Andrej in einigen Schritten Abstand zu dem niedrigen Fachwerkgebäude noch einmal stehen und sah sich aufmerksam um. Die Straße wirkte so heruntergekommen und ungastlich, wie er es nach der Beschreibung des Postens erwartet hatte. Die Häuser am Hafen waren allesamt kleiner, älter und vor allem schäbiger als die im westlichen Teil der Stadt; und die Menschen, die hier lebten, wirkten auf Andrej ärmlich und wenig vertrauenerweckend.
    Andrej warf einen neuerlichen sichernden Blick in die Runde, schob das unheimliche Gefühl, aus den Schatten heraus belauert zu werden, endgültig auf seine unerklärliche Unsicherheit und betrat schließlich die Schenke.
    Das Innere des »Einäugigen Bären« erinnerte auf beinahe unheimliche Weise an das Gasthaus, in dem sie vor zwei Tagen gewesen und in dem Ansbert und Vranjevc ums Leben gekommen waren: Es gab einen großen, rechteckigen Raum mit nur wenigen Fenstern und einem Boden aus festgestampftem Stroh und Lehm. Die Theke bestand aus einer Anzahl leerer Fässer, auf die jemand mit entschieden mehr Begeisterung als Zimmermannskunst ein paar grobe Bohlen genagelt hatte, und auch die wenigen Stühle und Tische hätten ohne weiteres aus dem niedergebrannten Gasthaus stammen können.
    Vielleicht sahen ja alle Spelunken in diesem Teil des Landes so aus, überlegte Andrej einfach, aber massiv genug, um auch die eine oder andere freundschaftliche Prügelei zu überstehen. Zumindest so lange sie nicht mit Brandpfeilen und ölgefüllten Tonkrügen ausgetragen wurde.
    Obwohl der »Einäugige Bär« fast bis auf den letzten Platz gefüllt war, entdeckte er die Brüder auf Anhieb - zumindest Krusha. Das Gesicht der zusammengekauerten Gestalt neben ihm verbarg sich hinter einem Tuch, das aus einer Art ungeschickt gewickeltem Turban hing und ihn fast wie einen Muselmanen aussehen ließ. Angesichts der augenblicklichen Expansionsgelüste der Türken und des damit wachsenden Widerstands gegen alle Muslime war es in Constãntã nicht ganz ungefährlieh, mit einem Turban auf dem Kopf durch die Stadt zu laufen. Doch immerhin entsprachen sein einfacher Überwurf und die bunte Schärpe, mit der dieser zusammengehalten wurde, der hier üblichen Kleidung.
    Beim Näherkommen erkannte Andrej, daß sich seine geheime Befürchtung bewahrheitete. Es war nicht der Informant, der hier wie verabredet mit Krusha auf ihn warten sollte, sondern Sergé. Obwohl ihm die Verkleidung des Mannes etwas übertrieben vorkam, mußte er zugeben, daß er sie zu Recht

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