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Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Titel: Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Am Abgrund
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schmerzten angesichts der unbequemen Lage, und zusätzlich rumorte sein Magen; denn seit er hier unten war, hatte er weder etwas zu essen noch einen Schluck Wasser bekommen.
    Plötzlich tauchte in dem rechteckigen, kaum handtellergroßen Fenster in der Tür wieder dieses flackernde rote Licht auf. Diesmal jedoch erlosch es nicht nach wenigen Sekunden, sondern wurde heller; gleichzeitig hörte er Schritte und Geräusche von Menschen, die eindeutig näherkamen. Womöglich ein Scharfrichter, der schon einmal Maß nehmen wollte. Andrej hatte sich schon mehrmals gefragt, auf welche Weise man ihn wohl hinrichten wollte. Das Enthaupten war eine beliebte Methode, aber wenn Vater Domenicus den Herzog vor seinem Tod noch davon überzeugt hatte, daß dieser Delãny ein Hexenmeister war, würde Herzog Demagyar sich gewiß eine langwierigere und schmerzvollere Todesart einfallen lassen. Andrej hatte gehört, daß man Hexen gerne verbrannte - auch eine hübsche Methode, doch bei weitem nicht einmal die grausamste, die er sich vorstellen konnte …
    Andrej verscheuchte diese unangenehmen Gedanken, richtete sich auf, so gut er konnte, und wandte seine Aufmerksamkeit ganz der Tür zu - auch wenn er das Gefühl nicht los wurde, daß die Besucher, die gleich zu ihm hereinkommen würden, wahrscheinlich nicht sehr viel angenehmer als seine Schreckensvisionen waren.
    Und Andrej täuschte sich nicht. Ein Schlüssel knarzte im Schloß, und kurz darauf öffnete sich die Tür. Er blinzelte und verzog das Gesicht, denn seine an tagelange Dunkelheit gewöhnten Augen wurden von dem grellen Licht einer Fackel gemartert. Zwei, vielleicht drei Gestalten traten in seine Zelle. Im Zwielicht konnte er sie im ersten Moment nur als verschwommene Schemen erkennen. Dann vernahm er eine sehr klare - und sehr zornige - Stimme: »Wer hat das getan?«
    Andrej blinzelte die Tränen weg, die das Licht in seine Augen getrieben hatte, und blickte in das Gesicht Ják Demagyars. Die Augen des Herzogs funkelten vor Zorn, aber dieser Zorn galt nicht ihm.
    »Ich hatte befohlen, den Gefangenen gut zu behandeln!« rief Demagyar in scharfem Ton. »Jetzt seht ihn euch an! Er ist mehr tot als lebendig! Und er stinkt zum Himmel!«
    »Es … es tut uns leid, Herr«, stammelte einer der beiden Soldaten in seiner Begleitung. »Aber wir dachten…«
»Wenn ich will, daß ihr denkt, dann sage ich es euch!« unterbrach ihn Demagyar. »Jetzt geh, und hol etwas zu essen für diesen Mann! Und Wasser und Seife! Ich will nicht, daß er wie ein Ziegenbock stinkt!«
Der Mann beeilte sich, rückwärts gehend die Zelle zu verlassen, und Andrej hörte, daß er zu rennen begann, kaum daß er draußen war.
Demagyar wandte sich an den zweiten Mann. »Laß uns allein!« befahl er.
Der Soldat zögerte. »Seid Ihr sicher, Herr? Er … er ist gefährlich.«
Der Herzog schnitt eine verächtliche Grimasse. »Glaubst du, daß er seine Ketten aus der Wand reißt oder sich in einen Raben verwandelt, der mir die Augen auskratzt?« fragte er höhnisch. »Verschwinde! Ich rufe dich, wenn ich dich brauche!« Er streckte fordernd die Hand aus und ließ sich die Fackel geben. Auch dieser Soldat hatte es plötzlich sehr eilig, aus dem Verlies zu verschwinden. Herzog Ják Demagyar schien bei seinen Leuten nicht unbedingt für seine Langmut bekannt zu sein.
Demagyar kam näher, blieb jedoch in respektvollem Abstand stehen, als traue er Andrejs Ketten doch nicht in solchem Maße, wie er gerade noch behauptet hatte. Er schwenkte die Fackel hin und her, wechselte sie von der rechten in die mit einem sauberen weißen Verband umwickelte linke Hand und hielt sie etwas höher, als die Hitze der Flammen auf seinem Gesicht zu brennen begann.
»Es tut mir wirklich leid«, bemerkte er. »Ich wollte nicht, daß man Euch so behandelt, Delãny. Aber Ihr wißt ja, wie man sagt: Wenn du sicher sein willst, daß etwas in deinem Sinne erledigt wird, dann tu es selbst.«
»Eure Sorge um mich rührt mich zu Tränen«, entgegnete Andrej bitter. »Ich würde Euch umarmen, wenn ich könnte.«
Demagyars lachte. »Versteht mich nicht falsch, Andrej. Es bereitet nur wenig Vergnügen, einen bereits halbtoten Mann hinrichten zu lassen, das ist alles.«
Andrej schwieg. Was er wissen wollte, würde der Herzog ihm ohnehin nicht sagen.
»Für einen Mann, der ohne einen Schluck Wasser seit zwei Tagen an eine Wand gekettet ist, seht Ihr erstaunlich gut aus«, fuhr Demagyars nach einer Weile fort. Er sagte das nicht ohne Hintergedanken, das

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