Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1
spürte Andrej. Demagyars wußte mit ziemlicher Sicherheit nicht, wer sein Gefangener wirklich war - welchen Grund die drei goldenen Ritter und Vater Domenicus wirklich gehabt hatten, das Borsã-Tal heimzusuchen: Ihm würden sie es wohl kaum auf die Nase gebunden haben. Aber der Herzog hegte offenbar den Verdacht, daß Andrej irgendein Geheimnis zu verbergen hatte. Zumindest mußte er spüren, daß er es nicht nur mit einem einfachen transsilvanischen Barbaren zu tun hatte.
»Wir Delãnys sind zäh«, antwortete Andrej. »Es ist nicht leicht, uns umzubringen.«
»Ja, das habe ich auch gehört.« Der Herzog zuckte mit den Schultern. Die Fackel in seiner Hand zitterte und ließ eine Armee winziger roter Lichtreflexe über die Wände ausschwärmen. »Aber ich werde mein möglichstes tun.«
»Warum?« fragte Andrej ruhig.
»Warum ich Euch hinrichten lasse?« Demagyar blinzelte, als überrasche ihn diese Frage wirklich, lachte aber zugleich leise. »Immerhin habt Ihr versucht, mich zu bestehlen, Delãny. Und Ihr habt einen meiner Soldaten getötet.« Er blickte auf seine bandagierte Hand und fügte in aufrichtig klingendem Bedauern hinzu: »Er war ein guter Mann. Es wird nicht leicht sein, ihn zu ersetzen. Zuverlässige Männer sind heutzutage schwer zu finden.«
»Liebt Ihr solche grausamen Spiele einfach nur, oder gibt es einen tieferen Grund, weshalb Ihr Euch selbst bestehlt und Eure eigenen Soldaten umbringt?«
Demagyar versuchte seine Überraschung zu verbergen, aber Andrej entging keineswegs der rasche, fast erschrockene Blick, den er zur Tür hin warf, ehe er antwortete. »Wenn es einen Grund gäbe«, sagte er dann, »so wäre es nicht sehr klug von mir, ihn Euch zu verraten, nicht wahr?«
Also gibt es einen Grund, dachte Andrej; und er hatte sogar eine ungefähre Vorstellung, wie dieser Grund beschaffen sein mochte, auch wenn er diese Gedanken nicht präzise zu formulieren vermochte.
»Warum seid Ihr dann gekommen, Herzog?« erkundigte er sich spöttisch. »Nur um Euch zu überzeugen, daß es mir schlecht geht?«
»Eigentlich könnt Ihr Euch doch gar nicht beklagen, Delãny«, antwortete Demagyar. Dann schüttelte er den Kopf. »Ich bin gekommen, um Euch davon in Kenntnis zu setzen, daß Euer Prozeß in zwei Stunden beginnen wird.«
»Mein… Prozeß?«
»Ihr scheint wirklich eine schlechte Meinung von mir zu haben«, seufzte Demagyar. »Natürlich bekommt Ihr einen fairen Prozeß.«
»Unter Eurem Vorsitz, vermute ich. Und das Urteil steht gewiß schon fest.«
»Selbstverständlich«, antwortete Demagyar trocken und deutete auf seine verletzte Hand. »Allein für den Angriff auf den Herzog von Constãntã ist Euch der Tod gewiß, Delãny. Ich könnte Euch nicht einmal retten, wenn ich es wollte. Es gibt Gesetze, an die auch ich mich halten muß.«
»Wie bedauerlich.«
Demagyar ließ sich von Andrejs sarkastischer Bemerkung nicht aus der Ruhe bringen. »Trotzdem bin ich hier, um Euch ein Angebot zu unterbreiten«, fuhr er fort. »Ihr werdet sterben, aber es liegt an Euch, ob es ein schneller und schmerzloser Tod sein wird oder ob Euer Sterben Stunden dauert oder vielleicht sogar Tage.«
»Ich nehme die Tage«, versuchte Andrej abermals sein Gegenüber zu provozieren. »Ich bin genußsüchtig, wißt Ihr?«
»Ihr wißt nicht, wovon Ihr sprecht«, erwiderte der Herzog ernst. »Mein Scharfrichter ist ein Meister seines Fachs. Und er genießt, was er tut.«
»Was wollt Ihr?« fragte Andrej. Er war kein Feigling, aber er war auch nicht verrückt.
»Nur eine Auskunft. Vater Domenicus … der Inquisitor. Wer ist er?«
»Ich fürchte, ich … verstehe nicht«, sagte Andrej stockend.
»Spielt nicht den Dummkopf.« Demagyar schien in der Tat verärgert. »Ihr wißt genau, was ich meine. Domenicus ist … war kein gewöhnlicher Inquisitor. Der lange Arm Roms reicht für gewöhnlich nicht bis hier; wir halten es eher mit den Kirchenvätern von Byzanz und dem Patriarchen von Konstantinopel, dessen Verhältnis zum Vatikan - sagen wir einmal - etwas gespannt ist. Es muß für unseren allseits geschätzten König also einen triftigen Grund geben, der Inquisition zu gestatten, hierher zu kommen und nach Belieben Leute abzuschlachten.«
»Vater Domenicus hat er es offensichtlich erlaubt«, sagte Andrej.
»Ja, und ich frage mich, warum. Was ist an einem Tal in Transsilvanien so Besonderes, daß der König es zuläßt, daß Soldaten aus einem fremden Land ein ganzes Dorf auslöschen?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Andrej
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