Hohle Köpfe
Silbermine springen.
»Nach der Feier im nächsten Jahr soll ein großes Feuerwerk stattfinden«, sagte Karotte. »Feuerwerke gefallen mir sehr.«
»Ich frage mich, warum Ankh-Morpork die Tatsache feiern will, daß es vor dreihundert Jahren einen Bürgerkrieg gegeben hat«, meinte Angua. Sie kehrte ins Hier und Heute zurück.
»Warum denn nicht?« erwiderte Karotte. »Wir haben gewonnen.«
»Ja, aber ihr habt ihn auch verloren.«
»Ich finde, daß man die Dinge immer von der positiven Seite sehen soll. Ah, da sind wir ja.«
Angua sah auf das Schild, beugte sich vor und las Zwergenrunen.
»Zwergenbrotmuseum. Meine Güte. Ich kann es gar nicht abwarten.«
Karotte nickte glücklich und öffnete die Tür. Es roch nach uralten Krusten.
»Hallo, Herr Hopkinson?« rief er. Niemand antwortete. »Manchmal verläßt er das Museum«, fügte er erklärend hinzu.
»Wahrscheinlich dann, wenn die Aufregung zuviel für ihn wird«, erwiderte Angua. »Hopkinson? Das ist kein Zwergenname, oder?«
»Oh, er ist ein Mensch.« Karotte trat ein. »Und ein Fachmann für Zwergenbrot. Es ist praktisch sein Lebensinhalt. Er hat das maßgebende Buch über offensives Backen geschrieben. Nun, da er nicht anwesend ist… Ich nehme zwei Eintrittskarten und lege ihm zehn Cent auf den Tisch.«
Nichts deutete darauf hin, daß Herr Hopkinson häufig Besuch erhielt. Staub lag auf dem Boden und auf den Vitrinen, bildete eine dicke Schicht auf den Ausstellungsstücken. Die meisten Exponate hatten die vertraute Kuhfladenform, gewissermaßen ein visuelles Echo ihres Geschmacks, aber es gab auch Brötchen, Nahkampf-Pfannkuchen, gefährlichen Wurftoast und eine große Auswahl an anderen Formen, ersonnen von einem Volk, das selbst Nahrungsmittel als Waffen benutzt – auf eine sehr hingebungsvolle und für den jeweiligen Gegner oft fatale Weise.
»Wonach suchen wir hier?« fragte Angua. Sie schnüffelte – ein scheußlicher, alles andere als unbekannter Geruch hing in der Luft.
»Nach dem – bist du bereit? – Kampfbrot von B’hrian Blutaxt!« sagte Karotte und kramte in den Schubladen des Schreibtischs neben dem Eingang.
»Du meinst… ein Laib Brot? Du hast mich an diesen Ort geführt, um mir einen Laib Brot zu zeigen?«
Angua schnüffelte erneut. Ja. Blut.
Frisches
Blut.
»So ist es«, bestätigte Karotte. »Es ist eine Leihgabe und soll hier für zwei Wochen ausgestellt werden. Bei der Schlacht vom Koomtal hat Blutaxt den Laib mit eigenen Händen geschwungen und siebenundfünfzig Trolle getötet. Allerdings…« Karottes Stimme veränderte sich: Unüberhörbarer Enthusiasmus wurde zu bürgerlichem Verantwortungsbewußtsein. »…liegt das alles schon lange zurück, und wir sollten uns von derartigen historischen Ereignissen nicht den Blick trüben lassen für die multiethnische Gesellschaft im Jahrhundert des Flughunds.«
Eine Tür knarrte.
»Das Kampfbrot…«, ließ sich Angua vernehmen. »Schwarz, nicht wahr? Und ein ganzes Stück größer als ein normaler Laib, habe ich recht?«
»Ja, stimmt«, sagte Karotte.
»Und Herr Hopkinson… Klein? Mit einem weißen Spitzbart?«
»Das ist er.«
»Und sein Kopf zertrümmert?«
»Wie bitte?«
»Ich glaube, du solltest dir das hier ansehen«, meinte Angua und wich zur Seite.
Drachenkönig von Wappen saß bei seinen Kerzen.
Das ist also Kommandeur Sir Samuel Mumm, dachte er. Ein dummer Mann. Offenbar nicht imstande, über den Horizont seines Rangabzeichens hinauszusehen. Und solche Leute bringen es heutzutage zu etwas. Sie haben auch einen gewissen Nutzen; vermutlich hat ihn Lord Vetinari deshalb befördert und zum Ritter geschlagen. Dumme sind oft zu Dingen fähig, über die intelligente Personen nicht einmal nachzudenken wagen…
Er seufzte und zog ein weiteres Buch zu sich heran. Es war nicht viel größer und dicker als die anderen in seinem Arbeitszimmer, was jeden gewundert hätte, der über den Inhalt Bescheid wußte.
Er war stolz darauf. Es war ein recht ungewöhnliches Werk, aber es überraschte ihn – besser gesagt, es hätte ihn überrascht, wenn ihn während der vergangenen hundert Jahre überhaupt irgend etwas hätte überraschen können –, wie leicht ihm einiges davon gefallen war. Er brauchte das Buch nicht einmal aufzuschlagen, um darin zu lesen. Längst kannte er den Inhalt auswendig. Sorgfältig gezeichnete Stammbäume, nicht minder gewissenhaft niedergeschriebene Namen… Er las sie, und gleichzeitig kamen die Worte aus seinem Gedächtnis.
Die Überschrift
Weitere Kostenlose Bücher