Hohle Köpfe
jetzt…
»Nobbs?« ächzte er. »Bei den Göttern…«
»Nun, das Gespräch mit dir hat mir
sehr
gefallen«, sagte Drachenkönig. »Ich bin immer bestrebt, die Aufzeichnungen zu aktualisieren. Ah-ha. Wie kommt übrigens Hauptmann Karotte zurecht? Seine Freundin soll ein Werwolf sein, wie ich hörte. Ah-ha.«
»Na so was«, murmelte Mumm.
»Ah-ha.« Drachenkönig bewegte sich in der Düsternis. Seine Geste mochte ein verschwörerisches Klopfen an den Nasenflügeln sein. »Mit solchen Dingen kennen wir uns aus!«
»Hauptmann Karotte geht es gut«, sagte Mumm betont eisig. »Hauptmann Karotte geht es immer gut.«
Er verließ den Raum und schlug die Tür hinter sich zu. Dutzende von
dunkel
brennenden Kerzenflammen flackerten.
Obergefreite Angua kam aus einer Seitengasse und zog den Gürtel fest.
»Ich glaube, das lief ganz gut«, sagte Karotte. »Außerdem haben wir uns damit wieder den Respekt der Allgemeinheit verdient.«
»Puh, der Ärmel des Mannes…« Angua wischte sich den Mund ab. »Ich fürchte, seine Jacke ist noch nie gewaschen worden.«
Automatisch fielen sie in den typischen Polizistengang, bei dem das Schwunggewicht der Beine den Gehenden mit minimalem Kraftaufwand gehen läßt. Es war wichtig, durch die Straßen der Stadt zu wandern, hatte Mumm gesagt. Und da diese Worte von Mumm stammten, glaubte Karotte fest an sie. Durch die Straßen der Stadt wandern und mit den Leuten reden. Wer weit genug wanderte und mit ausreichend Leuten sprach, fand früher oder später Antworten.
Der Respekt der Allgemeinheit,
dachte Angua. Ein typischer Karotte-Ausdruck. Nein, das stimmte nicht ganz. Eigentlich war es ein Mumm-Ausdruck, aber der Kommandeur spuckte immer aus, nachdem er solche Worte in den Mund genommen hatte. Doch Karotte nahm sie sehr wichtig. Er hatte dem Patrizier vorgeschlagen, Gewohnheitsverbrecher sollten »der Allgemeinheit dienen«, indem sie zum Beispiel die Wohnungen alter Leute neu tapezierten, was dem Alter einen neuen Schrecken hinzufügte. Aufgrund der Kriminalitätsrate von Ankh-Morpork bekam das Wohnzimmer einer älteren Dame so oft neue Tapeten, daß sie sich schließlich nur noch seitlich durch die Tür schieben konnte. 6
»Ich habe etwas sehr Interessantes gefunden, das dich sehr interessieren wird«, sagte Karotte nach einer Weile.
»Das ist interessant«, erwiderte Angua.
»Aber ich sage dir nicht, was ich meine, denn es soll eine Überraschung sein«, fügte Karotte hinzu.
»Oh, gut.«
Eine Zeitlang gingen sie schweigend, dann fragte Angua: »Wird die Überraschung ebenso groß sein wie die bei der Steinsammlung, die du mir in der vergangenen Woche gezeigt hast?«
»Das
war
interessant, nicht wahr?« erwiderte Karotte begeistert. »Mindestens zehnmal bin ich durch diese Straße gegangen, ohne zu ahnen, daß es dort ein Mineralmuseum gibt! All die vielen Silikate!«
»Wirklich bemerkenswert. Man sollte meinen, daß die Leute vor einem solchen Museum Schlange stehen.«
»Ja. Es ist mir ein Rätsel, warum das nicht so ist.«
Angua erinnerte sich, daß es in Karottes Seele nicht einmal ein Spurenelement von Ironie gab. Sie sagte sich auch, daß er keine Schuld hatte. Immerhin war er bei Zwergen in einem Bergwerk aufgewachsen – er hielt Steine
tatsächlich
für interessant. Vor zwei Wochen hatten sie eine Eisengießerei besucht. Auch das war »interessant« gewesen.
Und doch… und doch… Man
mußte
Karotte einfach mögen. Selbst Leute, die er verhaftete, fanden ihn sympathisch. Auch alte Damen, die in Wohnungen leben mußten, in denen es ständig nach Kleister und frischer Farbe roch. Angua mochte ihn ebenfalls. Sogar sehr. Um so schwerer würde es ihr fallen, ihn zu verlassen.
Sie war ein Werwolf. Entweder verbrachte man seine Zeit mit dem Versuch, diese Wahrheit vor den Leuten zu verbergen. Oder man beobachtete, wie sie auf Distanz gingen und miteinander flüsterten, sobald man ihnen den Rücken zukehrte – obwohl man den Kopf drehen mußte, um das zu sehen.
Karotte nahm keinen Anstoß an ihrem wahren Wesen. Aber die Reaktionen der anderen Leute blieben nicht ohne Einfluß auf ihn. Es bereitete ihm Unbehagen, daß selbst freundliche Kollegen irgendwelche Gegenstände aus Silber bei sich trugen. Das setzte ihm immer mehr zu. Die Spannung in ihm wuchs, und er wußte nicht, wie er damit fertig werden sollte.
Alles kam so, wie Anguas Vater es vorausgesagt hatte. Wenn du dich außerhalb der Mahlzeiten mit Menschen einläßt, könntest du genausogut in eine
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