Hohle Köpfe
Stadtwächters, ah-ha. Ein König trägt die Krone selbst dann noch auf dem Kopf, wenn er sie abgenommen hat.«
»
Steingesicht
hat sie ihm abgenommen!«
»Der König bekam nicht einmal ein ordentliches Gerichtsverfahren.«
»Weil sich kein Richter fand«, sagte Mumm.
»Und deshalb nahmst du – beziehungsweise dein Vorfahr – die Sache selbst in die Hand.«
»Jemand mußte es tun. Manche Ungeheuer dürfen nicht im Reich der Lebenden wandeln.«
Drachenkönig fand die Seite, nach der er gesucht hatte. Er drehte das Buch um. »Dies war sein Wappen.«
Mumm betrachtete die vertraute Darstellung einer Morpork-Eule, die auf einem Henkelkreuz saß. Der Schild darunter hatte vier Felder; jedes war mit einem Symbol gefüllt.
»Was bedeutet die Krone und der Dolch darin?«
»Oh, das ist ein traditionelles Symbol, ah-ha. Es steht für seine Rolle als Verteidiger der Krone.«
»Ach? Und die zusammengebundenen Stäbe mit der Axt?« Mumm deutete auf das entsprechende Zeichen.
»Ein Rutenbündel mit Beil. Es symbolisiert seinen Status als Vertreter des Gesetzes. Und das Beil… Es war gewissermaßen ein Vorbote, kündete von… interessanten Dingen in der Zukunft. Doch ich fürchte, mit Beilen löst man keine Probleme.«
Mumm betrachtete das dritte Feld, das eine Art Marmorbüste zeigte.
»Ein Symbol für den Spitznamen ›Altes Steingesicht‹«, erklärte Drachenkönig. »Er bat um diesen Hinweis. Manchmal ist Heraldik kaum mehr als die Kunst des geschickten Wortspiels.«
»Und das letzte Zeichen?« fragte Mumm. »Weintrauben? Mein Vorfahr hat wohl gern einen über den Durst getrunken.«
»Nein. Ah-ha. Manche Leute brauchen Wein für ihren Mut. Mut – Mumm. Verstehst du?«
Mumm verzog das Gesicht. »Oh,
das
hast du mit ›geschickten Wortspielen‹ gemeint. Ich schätze, dabei kugeln sich die Leute vor Lachen.«
Drachenkönig schloß das Buch und seufzte. »Jene, die tun, was getan werden muß, ernten selten Lohn. Dafür gibt es viele Beispiele, und leider läßt sich nichts daran ändern.« Die Stimme verlor ihren kummervollen Klang, als sie fortfuhr: »Nun, ich habe mich sehr gefreut, als ich von deiner Heirat mit Lady Sybil erfuhr, Kommandeur. Eine
ausgezeichnete
Familie. Gehört zu den ehrenwertesten in der Stadt, ah-ha. Die Käsedicks, die Selachiis, die Venturis, die Nobbses nicht zu vergessen…«
»Das wär’s also, wie?« fragte Mumm. »Ich sollte wohl besser gehen.«
»Ich bekomme nur selten Besuch«, sagte Drachenkönig. »Normalerweise kümmern sich die Wappenherolde um alles, aber ich dachte, daß dir eine Erklärung zusteht. Ah-ha. Wir haben jetzt viel zu tun. Einst waren wir mit
richtiger
Heraldik beschäftigt, aber dies ist das Jahrhundert des Flughunds, wie ich hörte. Wenn heute jemand seinen zweiten Fleischpastetenladen eröffnet, hält er sich gleich für einen Gentleman.« Mit einer schmalen weißen Hand deutete er auf drei Wappen, die nebeneinander an einer Tafel hingen. »Der Metzger, der Bäcker und der Kerzenhaltermacher.« Er lachte mit leisem Spott. »Nun, der Kerzenmacher, um genau zu sein. Für ihn müssen wir in den Aufzeichnungen nach Hinweisen darauf suchen, daß er ein Wappen verdient…«
Mumm betrachtete die drei Schilde. »Habe ich das nicht schon mal irgendwo gesehen?« fragte er.
»Ah. Herr Arthur Traggut, Kerzenmacher«, sagte Drachenkönig. »Plötzlich blüht das Geschäft, und er glaubt, ein feiner Herr werden zu müssen. Ein Schild, geteilt von einem Schrägbalken d’une mèche en metal gris. Das heißt, ein stahlgrauer Schild, der persönliche Entschlossenheit und Eifer zum Ausdruck bringt (wie eifrig, ah-ha, die Geschäftsleute sind!), geteilt von einem Docht. In der oberen Hälfte sehen wir einen chandelle in a fenêtre avec rideaux houlant – eine Kerze, die ein Fenster mit warmem Glanz erleuchtet, ah-ha. Die untere Hälfte enthält zwei chandeliers illuminé, was symbolisiert, daß der Bursche seine Kerzen sowohl an Arme als auch an Reiche verkauft. Glücklicherweise war sein Vater Hafenmeister, weshalb wir eine lampe au poisson – eine Lampe in Gestalt eines Fisches – hinzufügen konnten. Sie verdeutlicht nicht nur den Beruf des Vaters, sondern auch den des Sohnes. Für das Motto habe ich die moderne Sprache gewählt: ›Die Kerze läßt sich gut tragen.‹ Das war ein wenig frech, ah-ha, aber ich konnte der Versuchung einfach nicht widerstehen.«
»Wirklich sehr lustig, ah-ha«, erwiderte Mumm. Irgend etwas trat nach seinem Gehirn und versuchte,
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