Hohle Köpfe
Ich nehme an, es hat nie ge-
wonnen.«
»Wahrscheinlich nicht, Herr. Aber Krapfen-Karl verdiente viel Geld,
indem er keine Rennen gewann.«
»Oh. Er gab mir Milch zu trinken, und dann eine klebrige Flüssigkeit.«
Vetinari erinnerte sich. »Davon wurde mir speiübel.«
»Davon habe ich gehört, Herr.«
»Das Wort ›speiübel‹ beschreibt die Sache nur unvol kommen. Ich ha-
be nicht nur gespuckt, sondern hingebungsvol gekotzt.«
»Dachte ich mir, Herr.«
»Fühle mich wie bei einer schlimmen Grippe, Mumm. Der Kopf funk-
tioniert nicht richtig.«
»Tatsächlich nicht, Herr?«
Der Patrizier dachte eine Zeitlang nach. Irgend etwas schien ihn zu
wundern. »Warum roch der Mann nach Pferden, Mumm?« fragte er
schließlich.
»Weil er in erster Linie Pferde behandelt. Damit kennt er sich aus. Im
letzten Monat hat er Wahnsinnspech kuriert, und das arme Tier fiel erst
nach der letzten Achtelmeile um.«
»Klingt alles andere als beruhigend.«
»Oh, ich weiß nicht. Das Pferd war schon an der Startlinie so gut wie
tot.«
»Ah. Ich verstehe. Nun gut. Du traust niemandem, nicht wahr, Mumm?«
»Nein, Herr.«
Der Patrizier stemmte sich auf den El enbogen hoch. »Dürfen Fußnä-
gel pulsieren, Mumm?«
»Ich glaube nicht.«
»Wie dem auch sei… Ich möchte jetzt ein wenig lesen. Das Leben geht
weiter.«
Mumm ging zum Fenster. Eine alptraumhafte Gestalt hockte draußen
am Rand des Balkons und starrte in den dichter werdenden Nebel.
»Alles in Ordnung, Obergefreiter Abfluß?«
»Al ef beftenf«, erwiderte die Erscheinung.
»Ich schließe jetzt das Fenster. Der Nebel kommt herein.«
»Wie du meinft, Herr Kommandeur.«
Mumm schloß das Fenster. Einige Nebelranken, die es zu eilig gehabt
hatten, saßen in der Fal e. Innerhalb weniger Sekunden lösten sie sich
auf.
»Wer war das?« fragte Lord Vetinari.
»Obergefreiter Abfluß ist ein Wasserspeier, Herr. Bei Paraden taugt er
kaum etwas, und er eignet sich auch nicht dafür, Streife zu gehen. Aber
er ist erstklassig darin, an einer Stelle auszuharren, Herr. Er ist Weltmeister in der Reglosigkeit. Wenn du den Sieger in hundert Meter Stillstehen
suchst… Er hockt dort draußen. Einmal saß er drei Tage lang bei strö-
mendem Regen auf einem Dach, wodurch wir schließlich den Parkweg-
schleicher schnappen konnten. Nichts entgeht seiner Aufmerksamkeit.
Im Flur hält Obergefreiter Gimletsohn Wache, und in der Etage unter
uns paßt Obergefreiter Glodsneffe auf. Die Obergefreiten Feuerstein
und Moräne sind in den Zimmern rechts und links von uns postiert.
Feldwebel Detritus sieht hier immer wieder nach dem Rechten, und
wenn er jemanden bei einem Nickerchen erwischt, gibt er ihm einen
ordentlichen Tritt in den Hintern, vermutlich mit dem Resultat, daß der
Betreffende durch die nächste Wand fliegt.«
»Ausgezeichnet, Mumm. Gehe ich recht in der Annahme, daß keiner
der hier eingesetzten Wächter aus dem Volk der Menschen stammt? Es
scheint sich ausnahmslos um Zwerge und Trolle zu handeln.«
»Das ist sicherer, Herr.«
»Du hast an alles gedacht, Mumm.«
»Ich hoffe es, Herr.«
»Danke, Mumm.« Vetinari setzte sich auf und nahm einige Papiere
vom nahen Nachtschränkchen. »Ich möchte dich nicht länger aufhalten.«
Mumm starrte ihn groß an.
Vetinari sah auf. »Gibt es sonst noch etwas, Kommandeur?«
»Nun… ich glaube nicht, Herr. Äh… ich sol te jetzt besser gehen.«
»Gute Idee. In meinem Arbeitszimmer haben sich bestimmt viele Do-
kumente angesammelt, die bearbeitet werden müssen. Ich wäre dir sehr
verbunden, wenn du jemanden beauftragen könntest, sie mir zu brin-
gen.«
Mumm schloß die Tür ein wenig energischer hinter sich, als es eigent-
lich notwendig war. Bei den Göttern, manchmal machte ihn Vetinaris
Art fuchsteufelswild. Irgendwann gelang es dem Patrizier, ihn ganz nach
Belieben ein- und auszuschalten. Außerdem hatte er die natürliche
Dankbarkeit eines Alligators. Er verließ sich darauf, daß Mumm seiner
Pflicht nachkam – vielmehr wußte er es –, und damit war dieser Punkt für ihn erledigt. Eines Tages würde Mumm…
… seine Pflicht erfüllen, so wie immer – weil er nichts anderes gelernt
hatte. Diese Erkenntnis machte al es noch unerträglicher.
Außerhalb des Palastes wallte der Nebel in dichten, gelben Schwaden.
Mumm nickte den Wächtern am Tor zu und blickte in die Düsternis. Es
war nicht weit bis zum Wachhaus am Pseudopolisplatz. Der Nebel be-
scherte Ankh-Morpork eine frühe
Weitere Kostenlose Bücher