Hohle Köpfe
arbeitet! Das sage ich dir nicht zum erstenmal! Sei nicht immer so
leise, wenn du dich bewegst, Himmel und verflucht!«
Der Golem hob seine Schiefertafel. Darauf stand:
Heute nacht kann ich nicht arbeiten.
»Wie bitte? Die Schneidemaschine hat mich nie um Urlaub gebeten!«
Es ist ein heiliger Tag.
Socke sah in die roten Augen. Der alte Fischbein hatte bei Dorfls Ver-
kauf darüber gesprochen. Wie lauteten seine Worte? »Manchmal geht er
für ein paar Stunden fort, weil es ein heiliger Tag ist. Es dreht sich um
die Worte in seinem Kopf. Wenn er nicht aufbricht und zum Tempel
schlurft oder was weiß ich, läßt die Wirkung der Worte nach, warum
auch immer. Du sol test ihn besser nicht zurückhalten.«
Fünfhundertdreißig Ankh-Morpork-Dollar hatte das Ding gekostet.
Viel Geld, zweifellos, doch die Investition hatte sich gelohnt. Der Golem
stellte nur dann die Arbeit ein, wenn ihm die Rohmaterialien ausgingen.
Und manchmal nicht einmal dann, wenn gewisse Geschichten stimmten.
Man berichtete von Golems, die Häuser überfluteten, weil niemand sie
aufforderte, kein Wasser mehr vom Brunnen zu holen. Oder das Ge-
schirr so lange spülten, bis nur noch hauchdünne Scheiben an die Tel er
erinnerten. Sie waren dumm – und nützlich, wenn man sie im Auge be-
hielt.
Und doch… und doch… Socke verstand al mählich, warum sie nie-
mand über längere Zeit behielt. So wie die Maschine mit zwei Händen
dastand, al es beobachtete und sich was dachte… Beklagte sich nie.
Sprach kein einziges Wort.
Eine lohnende Investition, ja. Aber sie erfül te einen mit Unbehagen.
Schließlich war man froh, wenn man das komische Ding wieder verkauft
hatte.
»Neuerdings scheint es ziemlich viele heilige Tage zu geben«, sagte
Socke.
Manche Zeiten sind sakraler als andere.
Aber ein Golem konnte nicht einfach so davonstapfen. Die Arbeit war
sein Leben. Beziehungsweise das, was sein »Leben« ausmachte.
»Ich weiß nicht, wie ich ohne dich zurechtkommen sol …«, begann
Socke.
Es ist ein heiliger Tag.
»Na schön, na schön. Morgen kannst du dir für einige Stunden frei-
nehmen.«
Heute nacht. Der heilige Tag beginnt bei Sonnenuntergang.
»Sei bald zurück, sonst…« Socke unterbrach sich und seufzte. »Sei bald
zurück, hörst du?«
Das war auch so eine Sache: Man konnte diesen Geschöpfen nicht
drohen. Es hatte keinen Sinn, ihnen Lohnkürzungen in Aussicht zu stel-
len – sie wurden überhaupt nicht bezahlt. Es gab keine Möglichkeit, ih-
nen Angst einzujagen. Fischbein hatte von einem Weber drüben bei
Schlummerhügel berichtet, der seinem Golem befahl, sich selbst mit
einem Hammer zu zertrümmern. Kurze Zeit später lagen nur noch Ton-
scherben auf dem Boden.
Ja. Ich höre.
Eigentlich spielte es gar keine Rolle, wer sie waren. Ihre Anonymität war
ein integraler Bestandteil der ganzen Sache. Sie glaubten, mit der Geschichte zu marschieren; sie sahen sich in vorderster Front des Fort-
schritts, auf der Welle der Zukunft. Sie hielten sich für Leute-deren-Zeitgekommen-war. Regierungen können Barbarenhorden, verrückte Terro-
risten und Geheimbünde aus Kapuzenträgern überstehen, doch sie gera-
ten in erhebliche Schwierigkeiten, wenn wohlhabende und anonyme
Männer an einem großen Tisch sitzen und solche Gedanken pflegen.
»So ist es wenigstens sauber«, sagte einer. »Kein Blut.«
»Und es dient dem Wohle der Stadt.«
Sie nickten ernst. Es war selbstverständlich: Was gut für sie war, war
auch gut für Ankh-Morpork.
»Und er wird nicht sterben?«
»Offenbar ist es möglich, ihn nur… krank sein zu lassen. Es kommt
auf die richtige Dosierung an, wie ich gehört habe.«
»Gut. Krank ist er mir lieber als tot. Er ist dazu fähig, wieder aus dem
Grab zu klettern.«
»Er soll einmal gesagt haben, daß er eingeäschert werden will.«
»Dann hoffe ich, daß man seine Asche möglichst großflächig ver-
streut.«
»Was ist mit der Wache?«
»Was sol schon mit ihr sein?«
»Ah.«
Lord Vetinari öffnete die Augen. Wider al er Vernunft spürte er Schmer-
zen im Haar.
Er konzentrierte sich, und ein Schemen neben dem Bett verdichtete
sich zu Samuel Mumm.
»Ah, Mumm«, brachte er hervor.
»Wie geht es dir, Herr?«
»Miserabel. Wer war der kleine Mann mit den unglaublich krummen
Beinen?«
»Du meinst vermutlich Krapfen-Karl. Früher war er der Jockey eines
sehr dicken Pferds.«
»Eines Rennpferds?«
»Ich glaube schon, Herr.«
»Er hat ein dickes Rennpferd geritten?
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