Hohle Köpfe
es darum einen Machtkampf gegeben,
aber heute…
Wer die Macht hatte, bekam auch die damit verbundenen Probleme.
Die Dinge waren heute anders. Man mußte verhandeln, einen Ausgleich
zwischen den vielen verschiedenen Interessen schaffen. Schon seit Jahren hatte kein Vernünftiger mehr versucht, Vetinari umzubringen, und dafür
gab es einen einfachen Grund: Die Welt mit ihm erschien zumindest ein
wenig besser als eine Welt ohne ihn.
Außerdem hatte Lord Vetinari Ankh-Morpork gewissermaßen ge-
zähmt. Er nahm einen kleinen Aasfresser unter vielen anderen Aasfres-
sern und sorgte dann dafür, daß er längere Zähne und stärkere Kiefer
bekam; er gab ihm zusätzliche Muskeln, stattete den Hals mit eisernen
Beschlägen aus, fütterte das neue Geschöpf mit Filetsteaks und forderte
es dann auf, nach der Kehle der Welt zu schnappen.
Er zeigte den Banden und vielen streitenden Gruppen, daß ein regel-
mäßiges kleines Stück vom Kuchen besser war als ein großes Stück mit
einem Dolch drin. Er ließ sie erkennen, daß es Vorteile hatte, nur ein
kleines Stück vom Kuchen zu nehmen – und den Kuchen gleichzeitig zu
vergrößern.
Ankh-Morpork war die einzige Stadt der großen Ebene, die ihre Tore
für Zwerge und Trol e öffnete (Legierungen sind stärker, hatte Lord Ve-
tinari immer verkündet). Es funktionierte. Die neuen Bewohner stel ten
Dinge her. Oft verursachten sie Schwierigkeiten, aber sie schufen auch
Reichtum. Ankh-Morpork hatte noch immer viele Feinde, aber sie muß-
ten ihre Heere mit geliehenem Geld finanzieren. Den größten Teil davon
liehen sie sich von Ankh-Morpork, zu hohen Zinsen. Seit vielen Jahren
hatte es keinen richtigen Krieg mehr gegeben, weil er sich einfach nicht
lohnte.
Vor einigen Jahrtausenden hatte das alte Reich die Pax Morporkia er-
zwungen. Sie ließ sich mit den Worten zusammenfassen: »Kämpft nicht,
oder wir töten euch.« Unter Lord Vetinari entstand eine neue Pax:
»Wenn ihr kämpft, fordern wir die Kredite zurück. Übrigens ist das meine Pike, die du auf mich richtest. Außerdem habe ich deinen Schild bezahlt.
Und nimm meinen Helm ab, wenn ich mit dir rede, du mieser kleiner
Schuldner.«
Die Maschine hatte so ruhig vor sich hin gearbeitet, daß den meisten
Leuten überhaupt nicht bewußt war, daß es eine Maschine war – sie hiel-
ten es für die natürliche Funktionsweise der Welt. Doch jetzt gab es
plötzlich einen spürbaren Ruck.
Die Gildenoberhäupter gingen in sich und stellten fest, daß sie eigent-
lich gar keine Macht anstrebten. Die wol ten in erster Linie, daß der
nächste Tag genauso verlief wie dieser.
»Zum Beispiel die Zwerge«, sagte Herr Boggis. »Selbst wenn einer von
uns der Nachfolger des Patriziers würde – womit ich keineswegs sagen
will, daß es einer von uns sein muß –, selbst wenn irgend jemand zum
neuen Herrscher wird… Was ist mit den Zwergen? Wenn wir einen
zweiten Lord Schnappüber bekommen, wimmelt’s in den Straßen bald
von abgeschlagenen Kniescheiben.«
»Du möchtest doch nicht etwa, daß wir abstimmen lassen. Oder viel-
leicht einen Popularitäts wettbewerbveranstalten?«
»O nein. Heute ist alles… ist alles viel komplizierter. Und die Macht
steigt den Leuten zu Kopf.«
»Und dann fäl t ihnen der Kopf ab.«
»Mir wäre lieber, wenn du das nicht dauernd betonen würdest«, sagte
Frau Palm. »Man könnte meinen, dir wäre der Kopf abgehackt worden.«
»Äh…«
»Oh, du bist’s, Herr Schräg. Bitte um Entschuldigung.«
»Ich spreche als Präsident der Anwaltsgilde«, sagte Herr Schräg, der
angesehenste Zombie in ganz Ankh-Morpork. »Ich empfehle Stabilität.
Wenn ich meinen Rat anbieten darf…?«
»Wieviel kostet er?« fragte Socke.
»Stabilität ist gleich Monarchie«, sagte Schräg.
»O nein, willst du etwa behaupten…«
»Seht euch Klatsch an«, fuhr Schräg ungerührt fort.
»Generationen von Serifen. Das Resultat: politische Stabilität. Das glei-
che gilt für Pseudopolis. Oder Sto Lat. Sogar das Achatene Reich…«
»Ich bitte dich«, warf Witwenmacher ein. »Jeder weiß, daß Könige…«
»Oh, Monarchen kommen und gehen, sie setzen sich gegenseitig ab,
und so weiter und so fort«, erwiderte Schräg. »Aber die Institution bleibt von Bestand. Außerdem sol te es möglich sein, eine… Vereinbarung zu
treffen.«
Herr Schräg stand nun im Mittelpunkt der al gemeinen Aufmerksam-
keit. Geistesabwesend tasteten seine Finger über die Nahtstelle, wo Kopf
und Hals
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