Hokus Pokus Zuckerkuss
selber verdienen. Also bin ich nicht auf seines angewiesen. Übrigens, seit heute habe ich eine neue Kundin – Ava Geck.«
Entsetzt runzelt Chaz die Stirn. »Diese billige Crack-Hure?«
»Wieso wird sie von allen Leuten so genannt?«, frage ich ärgerlich. »Niemand hat jemals gesehen, wie sie Crack nimmt – oder von irgendwem für Sex bezahlt wird. Trotzdem behauptet jeder, sie wäre eine Crack-Hure.«
»Dabei muss ich sie nicht sehen «, betont Chaz.
»Hast du dir schon mal den Celebrity Pit Fight angeschaut?«
Nun bin ich entsetzt. »Warum tut sich ein Philosophiedoktorand und Gewohnheitstrinker den Celebrity Pit Fight an?«
»Oh, das ist eine richtig gute Show. Die solltest du dir reinziehen, falls du jemals die verderbten Niederungen erforschen willst, in die unsere Gesellschaft gesunken ist. Oder die verderbten Niederungen, in der wir – nach der Meinung unserer Unterhaltungsindustrie – zu versinken glauben .«
»Hey!« Luke kehrt in die Nische zurück, setzt sich und reicht mir ein Glas Weißwein. »Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Hier geht’s zu wie im Irrenhaus. Fünf verschiedene Spiele!«
Wie ich enttäuscht feststelle, hat er die Eiswürfel vergessen. Okay, wir sind erst seit sechs Monaten zusammen. Alles kann er sich nicht merken.
»Du hast das Eis vergessen«, sagt Chaz. »Luke, erkläre deiner Verlobten, dass sie es in der Brautmodenbranche nicht weit bringen wird, wenn sie mit billigen Crack-Huren Geschäfte macht.«
Verwirrt runzle ich die Stirn. Wieso hat Chaz sich daran erinnert?
»Welches Eis?«, fragt Luke verständnislos. »Und wer ist eine billige Crack-Hure?«
»Niemand«, sage ich im gleichen Atemzug, wie Chaz antwortet: »Ava Geck.«
»Wer ist Ava Geck?«, will Luke wissen.
Chaz bricht in Gelächter aus. Hastig nehme ich einen Schluck Wein. Ich ahne, was jetzt kommt.
»Siehst du niemals fern, Luke?«, fragt Chaz. »Liest du keine Zeitschriften außer dem Wall Street Journal ? Sag’s mir, denn ich will’s wirklich wissen. Wenn du beim Zahnarzt im Wartezimmer sitzt – greifst du niemals, rein zufällig, nach der US Weekly ?«
»Hör auf, Chaz«, mahne ich. Jetzt nervt er wirklich. Vielleicht mehr, als es die Situation erfordert. »Nur weil Luke nicht weiß, wer Ava Geck ist …«
»Jeder weiß, wer Ava Geck ist«, fällt Chaz mir ins Wort.
»Wer ist Ava Geck?«, fragt Luke noch einmal.
»Sie ist …« Plötzlich bin ich zu müde, um weiterzureden. Ich ertrage das alles nicht mehr – die Stimmen der TV-Reporter, das Geschrei der Fans, wenn jemand einen Korb geworfen hat. Ganz zu schweigen von dem betrunkenen Obdachlosen, der draußen vor dem Fenster herumhängt, nur wenige Schritte von mir entfernt, und die Passanten anbettelt.
Aber was ich am allerwenigsten ertrage, ist die Stimme in meinem Gehirn, die zurückgekehrt ist. Eine vertraute Stimme. Natürlich kenne ich sie – denn der Typ, dem sie gehört, sitzt mir direkt gegenüber – mit einer Baseballkappe von der University of Michigan.
O ja, ich bin manisch depressiv. Endlich ist mir klar geworden, dass ich schon immer eine gewisse Frau geliebt habe. Und ich dachte, sie würde meine Gefühle erwidern. Stattdessen verlobt sie sich mit meinem besten Freund, der sie – ehrlich gesagt – nicht verdient. Genügt dir diese Antwort?
Und dann sagt dieselbe Stimme noch: »Wünschst du dir eine romantische Beziehung? Die solltest du nicht ruinieren, indem du heiratest. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede.«
»Hört mal …« Von unterdrückten Emotionen halb erstickt, klingt meine eigene Stimme seltsam fremd. »Hier macht’s wirklich Spaß. Aber ich bin müde. Seid ihr böse, wenn ich verschwinde? Ich habe morgen viel zu tun, und ich will möglichst früh ins Bett gehen.«
»Unsinn, Lizzie«, protestiert Luke, »du bist doch eben erst gekommen. Geh noch nicht. Gerade hat das Spiel angefangen.«
Ich schaue zu Chaz hinüber.
Unter dem Schirm seiner Baseballkappe sieht sein Gesicht ausdruckslos aus. Aber er erwidert meinen Blick.
»Geh noch nicht, Lizzie«, sagt er. »Gerade hat das Spiel angefangen.«
Gespenstisch. Irgendwas in seinen Augen – von seinem Tonfall ganz zu schweigen – verrät mir, dass er nicht das Basketballspiel im Fernsehen meint.
Nein, ganz sicher nicht.
»Okay, bis dann.« Meine Stimme klingt viel zu hoch und zu schrill, als ich Luke hastig aus dem Weg schiebe, um die Nische zu verlassen.
»Ich bringe dich nach Hause«, sagt ein verwirrter Luke.
Aber ich lehne das
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