Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
Als ich dann kurz vor der Abreise auch meinen Pass erhielt, wusste ich, dass ich es geschafft hatte. Mein Traum wurde Wirklichkeit.
Bienvenido, Zukunft!
Am 29. August 1985 war es so weit: Ich startete in meine Zukunft. Meine Familie, die mich zum Flughafen begleitete, war traurig. Als ich meine Mutter umarmte, um mich zu verabschieden, sah ich ihr in die Augen und sagte: »Mama, schau mich an, denn ich weiß nicht, wann wir uns wiedersehen.« Ich drückte sie ein letztes Mal und ging, ohne mich noch einmal umzudrehen, zur Passkontrolle.
Mein Gott, war ich aufgeregt damals. Immerhin war es mein erster Flug, meine erste Reise außerhalb Kubas. Wie oft hatte ich mir diesen Moment in meiner Fantasie ausgemalt: Bei jedem alten Film, in dem jemand verreiste, fuhr ich in Gedanken mit. Als ich die Gangway zum Flugzeug hochstieg, dachte ich nur: Jetzt gehe ich, Jorge, in die große Welt. Jetzt gehe ich endlich nach Europa. In meinem Inneren brodelte es. So viele Jahre hatte ich mein wahres Ich unterdrückt – nun wollte es endlich heraus. Als ich am Eingang des Flugzeugs ankam, war der Vulkan in mir kurz davor zu explodieren. Bevor ich die Maschine betrat, drehte ich mich ein letztes Mal um und versuchte mich zu beruhigen: Todavía no , noch nicht, Jorge – cálmate , beruhige dich. Bald hast du es geschafft. Bald bist du frei.
Viele der Mitreisenden waren wie ich noch nie geflogen. Beim Start applaudierten alle, schauten neugierig aus dem Fenster und beobachteten gespannt, was die Stewardessen taten. Ich spielte den Coolen, als sei das alles für mich Routine. Dabei konnte ich vor lauter Aufregung während des langen Fluges nicht schlafen, weil mir die ganze Zeit nur ein Gedanke durch den Kopf ging: Ist das wirklich wahr, was ich gerade erlebe? Oder dreht dieses Flugzeug irgendwann um und fliegt zurück?
Neben mir saß eine schwarze Frau, die wegen der Hitze ganz viel weißen Puder aufgetragen hatte. Sie war auch auf dem Weg nach Bratislava, wo sie als Sekretärin fürs kubanische Konsulat arbeiten sollte, und flog zusammen mit ihrer dicken elfjährigen Tochter, die so schwarz war, dass man im Dunklen nur ihre weißen Zähne sah. Die beiden hatten fürchterliche Angst auf diesem Flug, vor allem wenn Kondenswasser aus der Klimaanlage über uns tropfte. Dann fing die Mutter gleich an zu schreien: » Dios mío , mein Gott, wir stürzen ab. Jetzt müssen wir alle sterben.« Sie schrie so laut, dass sich alle Leute irritiert nach uns umdrehten. Egal, welches Geräusch oder welche Bewegung das Flugzeug machte, meine Sitznachbarin klammerte sich mit ihren vor Angst schweißnassen Händen an meinem Arm fest. Bitte nicht, dachte ich zähneknirschend, mein schöner Anzug. Ich wusste gar nicht mehr, was ich machen sollte, damit mein Outfit nicht schon vor der Ankunft in Europa ruiniert wurde.
Aber meine Reisebegleiterin brachte mich auch zum Lachen. Als ihre Tochter anfing, von der Tschechoslowakei zu schwärmen, schaute die Mutter mich bedeutungsvoll an. »Ich sage ihr immer: Sobald wir in Bratislava auf der Straße sind, nicht reden und nicht lachen!«
»Warum denn das«, fragte ich.
»Na ja, damit die Leute nicht merken, dass wir Ausländer sind.«
Wir landeten bei wunderschönem Wetter in Prag. Als ich beim Aussteigen zur Stewardess » Adiós « sagte, verabschiedete ich mich auch von Kuba und meinem alten Leben.
** Ich meinte natürlich: Augenzwinkern
3. – MEINE ERSTEN MALE
Durchatmen
Nachdem wir auf dem Flughafen von Prag gelandet waren, liefen alle Studenten sofort zum nächsten Erfrischungsstand, wo es Cola und Kaugummis gab. Während sie an mir vorbeirannten, drückte ich mich in der Eingangshalle an die Wand. Ich stand wie unter Schock, denn irgendwas war anders hier.
Seit meiner Kindheit litt ich unter einer Stauballergie. Mindestens eines meiner Nasenlöcher war ständig verstopft. Frei durchzuatmen, das kannte ich nicht, denn in einem heißen Land wie Kuba ist es immer staubig. Selbst in den Häusern, egal wie oft man putzt. Hier aber war alles so »keimfrei«, sauber und kühl. Und so atmete ich das erste Mal in meinem Leben richtig durch.
Ich hatte mir vor der Abreise fest vorgenommen, jeden Schritt, den mein neues Ich machte, zu genießen. Auf dem Weg zum Flughafen waren in meinem Kopfkino Szenen aus Hollywoodfilmen abgelaufen, in denen Menschen abfliegen oder ankommen, zum Beispiel Casablanca , nur diesmal war es keine Filmfigur, die abreiste, diesmal war es ich. Ich jubilierte und genoss jede
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