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Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Titel: Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge González
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lernten wir nur die slowakische Sprache. Bis dahin hatten wir kubanischen Studenten unsere ersten sprachlichen Gehversuche mit Wörtern gemacht, die so ähnlich klangen wie das Spanische. Das führte öfter mal zu skurrilen Situationen. Wann immer der Busfahrer bei einem Ausflug, den unsere Betreuer organisiert hatten, rasant um die Kurve fuhr, schrien wir: » Ay, que curva .« Sofort drehte sich eine Betreuerin entrüstet um und sagte streng: »Wer hat dieses Wort benutzt? So etwas sagt man nicht.« Wir fragten uns nur, was die denn wollte. Erst viel später verstanden wir den Grund dafür. curva ist zwar das spanische Wort für Kurve, aber – kurva geschrieben – zugleich das slowakische Wort für Nutte.
    Nach drei Monaten kamen einige klassische Fächer wie Mathematik, Biologie und Physik zum Sprachunterricht hinzu. Es war damals gerade Apfelsaison, deshalb pflückte ich ständig Äpfel von den Bäumen – bis dahin kannte ich nämlich nur Kompott aus der Dose – und aß so viele, bis ich Bauchschmerzen hatte. Und als der Winter kam, sah ich zum ersten Mal in meinem Leben Schnee. Es war für mich total exotisch, vier Jahreszeiten zu erleben, denn ich kannte ja nur den ewigen Sommer. Frühling, Herbst und Winter waren etwas komplett Neues für mich.
    In Senec kamen junge Leute aus aller Welt zusammen. Wir waren insgesamt hundertzwanzig ausländische Studenten. Ich fühlte mich so wohl und so frei in dieser Atmosphäre, dass ich anfing, mein zweites Ich zu entfalten – ein kleines bisschen erst, aber ganz ohne Angst. Besonders nah standen uns Kubanern die Studenten aus Griechenland, die über die kommunistische Partei zum Studieren in die Tschechoslowakei kamen. Ich war schwer beeindruckt, dass viele von ihnen mehr über die kubanische Geschichte wussten als ich. Manche waren richtig fanatisch, und ich bekam fast einen Schock, als ich sah, dass einer der Studenten die Wände seines Zimmers mit Bildern von Che Guevara, Fidel Castro, José Martí tapeziert hatte. Mein Gott, dachte ich, ich gehe weg aus Kuba, um hier die alten Helden wiederzufinden. Wie sich die Geschichte wiederholt …
    Dieses erste Jahr in der Tschechoslowakei war so wichtig für mich, weil ich viel über andere Mentalitäten und Kulturen lernte. Bis dahin wusste ich zum Beispiel sehr wenig über den Islam. Das änderte sich schnell durch einen der drei Mitbewohner, mit denen ich ein Zimmer von sechzehn Quadratmetern und zwei Etagenbetten teilte: In dem einen schlief unten ein junger Mann aus Peru, der kapitalistischste und antikommunistischste Mensch, den man sich vorstellen kann, und oben einer meiner kubanischen Kommilitonen, der ein waschechter Kommunist war. Ich hatte das andere Etagenbett oben belegt, während das untere einem gläubigen islamischen Studenten aus Syrien gehörte. Jeden Morgen um sechs Uhr, wenn wir aufstehen mussten, rollte er seinen Teppich aus und betete. Wir drei anderen haben uns immer nur gefragt: Was macht denn der da? Warum kniet der da auf dem Teppich? Eines Morgens, als er gerade wieder seinen Teppich ausrollte, sprang ich aus dem Bett, weil ich dringend Pipi musste, und landete direkt auf seinem Teppich. Ein Schwall von böse klingenden Lauten, die ich nicht verstand, ergoss sich über mich: »Chramlamachralalamchrallluchruch.«
    Ich kam mir vor, als hätte ich ihm den Krieg erklärt und rief immer nur: » Sorry, sorry, what happened? « Entschuldigung, was ist passiert?
    Im Zimmer gegenüber wohnten vier Studenten aus Äthiopien, die im Winter wie verrückt heizten und in ihren Mänteln schliefen. Wenn man die Tür zu ihrem Zimmer aufmachte, ist man fast erstickt, weil es drin so muffelte. Doch die Jungs trauten sich nicht, auch nur eine Sekunde lang das Fenster aufzumachen wegen der Kälte.
    Besonders schlimm war für mich, dass wir nur zweimal pro Woche warmes Wasser hatten. Zweimal!?!? Ich liebte es zu duschen und hatte mich in Kuba oft sogar zweimal am Tag unter die Dusche gestellt, um mich frisch zu fühlen. Und nun sollte ich auf einmal nur zweimal pro Woche duschen können? Das geht doch gar nicht, dachte ich.
    Anfangs setzte ich Wasser auf dem Herd auf, um mich damit zu waschen. Dann riet mir eine meiner Lehrerinnen, morgens kalt zu duschen, weil das sehr gesund sei. Erst war ich skeptisch, aber nach ein paar Tagen befolgte ich ihren Rat. Das war einfach das geringere Übel, als sich nach zig Jungs in einem »Feuchtbiotop« zu waschen, in dem es noch dazu fürchterlich stank. Also stellte ich mich lieber

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