Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
jeden Tag um sechs Uhr morgens allein unter die eiskalte Dusche. Inklusive Haare waschen, Chicas! Ich habe beim ersten Mal so geschrien, dass die Lehrer zusammenliefen, weil sie dachten, da würde jemand ermordet. Aber das war bloß Jorge, dessen Kopf vom kalten Wasser ganz blau angelaufen war. Irgendwann habe ich dann einen Deal mit den Chicas gemacht, die im zweiten Stock wohnten. Sie ließen mich ihren Duschraum benutzen – und die kubanischen Studentinnen standen Wache. Wieder mal haben mir die Chicas geholfen!
Eines meiner Hobbys in jener Zeit war es, Leute zu verkuppeln. Da war zum Beispiel Leonore, ein Mädchen aus Kolumbien, eine überzeugte Katholikin. Sie hatte noch nie einen Freund gehabt, weil sie sich für ihren Ehemann aufsparen wollte. Und dann war da Gregori, ein kleiner Grieche und ein wunderbarer Mensch, der sich in Leonore verliebt hatte. Die beiden standen nur vor einem Problem: Gregori konnte zwar Englisch, aber kein Spanisch. Leonore hingegen konnte weder Griechisch noch Englisch. Und keiner von beiden konnte genug Slowakisch, weil wir ja gerade erst angekommen waren. Und an diesem Punkt eilte Jorge, der Übersetzer, zu Hilfe.
Ich sagte Gregori: »Wenn du eine schöne Latina erobern willst, dann musst du ihr einen romantischen Brief schreiben und ihr sagen, was du denkst und fühlst. Du schreibst einfach alles auf, liest es ihr vor, und ich übersetze es parallel für sie.«
Er war einverstanden.
Anschließend ging ich zu Leonore und erklärte ihr, was Gregori vorhatte. Dass er sie nicht anmachen, sondern ihr seine Gefühle ausdrücken wolle. Sie war auch einverstanden.
Also trafen wir uns zu dritt in einem Klassenzimmer, und Gregori fing an zu lesen: »Leonore! Als ich dir zum ersten Mal begegnet bin, klopfte mein Herz bis zum Hals.«
Danach übersetzte ich auf Spanisch: »Leonore! Als ich dir zum ersten Mal begegnet bin, habe ich nur deine großen Brüste bemerkt.«
Leonore fing sofort an zu weinen und gab Gregori eine schallende Ohrfeige. Der schaute mich entsetzt an und schrie: »Was habe ich getan? Jorge, warum schlägt sie mich?«
»Ruhig bleiben, Gregori«, erwiderte ich, »das ist eine Latina, die hat Emotionen. Du hast etwas so Schönes gesagt, dass es ihr Herz berührt hat.«
Und so ging es weiter. Ich habe nur schlimme Sachen übersetzt, und Leonore weinte immer heftiger, bis sie irgendwann jammerte: »Ich will weg, ich will weg.«
Nachdem die beiden eine Weile gelitten hatten, konnte ich mich nicht mehr halten vor Lachen und habe den Spaß aufgeklärt.
Wann immer mir einer von beiden danach auf dem Gang begegnete, hieß es nur: »Jorge, du …!« Das ging tagelang so … Aber der Spaß hat sich gelohnt, denn Leonore und Gregori sind heute verheiratet und haben vier Kinder.
Doch wir erlebten nicht nur lustige Sachen in unserer Sprachschule: Einmal hörten wir lautes Geschrei, und als wir aus dem Zimmer stürzten, sahen wir, dass ein Mädchen aus Afghanistan, das mit einem Jungen aus Syrien ging, aus dem Fenster gesprungen war. Sie wollte Selbstmord begehen, weil die afghanischen Studenten gedroht hatten, sie wegen ihrer Liaison mit dem Syrer umzubringen. Denn in den Augen dieser Jungs war sie ein leichtes Mädchen.
Weil ich diesen Konflikt zwischen Afghanen und Syrern nicht verstand, beschloss ich, mich mit beiden Seiten anzufreunden und es herauszufinden. Und mal wieder kamen die Waffen der Frauen ins Spiel. Meine süße Freundin Ina, die sich ihrer Reize nach wie vor nicht bewusst war und nichts aus sich machte, gestand mir eines Tages, dass sie ein Auge auf einen der syrischen Kommilitonen geworfen habe, und bat mich, sie zu stylen. Ich machte ihr die Haare, depilierte die Oberlippe, zupfte die Augenbrauen. Maria, ein Mädchen aus Zypern, mit dem ich mich angefreundet hatte, lieh Ina ihre High Heels, und ich brachte ihr bei, wie man in solchen Schuhen geht. Denn dank der Chicas meiner Familie hatte ich ja ein Bild davon im Kopf, wie sich Frauen auf hohen Schuhen bewegten . Und so begann ich, ihr den Chicas Walk für Anfänger zu zeigen. Weil ich keine High Heels hatte, lief ich barfuß auf der Spitze vor ihr her und wackelte mit dem Popo. Danach setzte ich mich hin und winkelte elegant die Beine seitwärts an.
An diesem Tag verwandelte sich Ina vom Bauernmädchen in eine sexy Chica. Hinter der bäuerlichen Fassade der guajira versteckte sich eine ganz feminine Frau mit viel Glam. »Du bist wie Eliza aus My fair Lady «, sagte ich zufrieden, als ich mit der Arbeit
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