Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
hautenges, trägerloses Stretchkleid in Pink und Elektrischblau. Dazu einen breiten schwarzen Gürtel und sehr hohe Pumps. Ihre schlecht blondierten und hochtoupierten Haare ließen einen schwarzen Ansatz erkennen, und sie roch penetrant nach Haarspray. Außerdem war sie stark geschminkt und hatte viel zu viel blauen Lidschatten aufgetragen. Ihre Zähne waren schlecht, und vorne fehlte sogar einer, weshalb sie mit zusammengepressten Lippen sprach: »Mein Schatz, was machst du denn da in der Ecke mit Hut und Mantel? Ist dir nicht heiß? Los, komm mit mir tanzen!« Und während sie mich auf die Tanzfläche zerrte, fing sie an, mir den Mantel auszuziehen.
Sie war eine Prostituierte, die ihre Freizeit mit ihren homosexuellen Freunden verbrachte, ihrem Familienersatz. »Die nehmen mich, wie ich bin«, sagte sie. Viele der Jungs nannten sie sogar Mama. Im Laufe der Zeit lernte ich sie besser kennen: Sie war eine wunderbare, warmherzige Frau, aber zugleich ein sehr trauriger Mensch, der ein hartes Leben hinter sich hatte: Als junges Mädchen wurde sie schwanger, der Ehemann verprügelte sie und zwang sie zur Prostitution, als sie ihr Baby noch stillte. Die Mutter nahm ihr das Kind weg, weil sie drogensüchtig wurde. Als ich ihr einmal tagsüber begegnete, hatte sie schon eine Alkoholfahne. Bei Licht konnte ich die Narben an den Handgelenken von den vielen Selbstmordversuchen sehen. Sie schnitt sich immer wieder die Pulsadern auf, weil sie über den körperlichen Schmerzen den Schmerz in ihrer Seele vergaß.
Ich folgte also der Prostituierten mit dem großen Herzen auf die Tanzfläche voller hübscher junger Männer. Der DJ spielte gerade Like a Virgin von Madonna. Nachdem ich ein paarmal besorgt nach links und nach rechts geschaut hatte, fing ich an zu tan zen – und innerhalb von Sekunden explodierte mein Ich. Das war ein Gefühl: Meine Haare standen zu Berge, mein breites Lachen reichte von einem Ohr zum anderen, und vor Freude schossen mir Tränen in die Augen. Denn endlich durfte ich in einer Disco mit lauter hübschen Männern tanzen. Hello, is it me you’re looking for ? – als dieser langsame Song von Lionel Richie kam, tanzte ich das erste Mal in meinem Leben mit einem sehr hübschen tschechischen Mann. Ich fühlte mich wie eine Debütantin auf ihrem ersten Ball.
Am nächsten Morgen flogen mein Freund und ich mit der ersten Maschine nach Bratislava zurück, aber von da an machte ich mich jeden Mittwoch auf den Weg nach Prag – die Flüge kosteten damals nicht viel. Auf einem dieser Flüge beobachtete ich einmal vor dem Abflug die Crew, als sie in Richtung Gate ging. Mittendrin ein wunderschöner Mann in Uniform: der Pilot. Ich schaute ihn an, er schaute mich an. Wir guckten und lachten, während ich dachte: Ist er? Oder ist er nicht? Als wir in Prag landeten, kam er aus dem Cockpit und gab mir seinen Namen und die Telefonnummer seines Hotels. So lernte ich meinen ersten festen Freund in der Tschechoslowakei kennen, der wie ich in Bratislava wohnte. Ab diesem Zeitpunkt fing ich an, mein zweites Ich richtig auszuleben – obwohl ich es vor den meisten kubanischen Studenten weiterhin versteckt hielt. Viele ahnten, dass ich homosexuell war, aber niemand sprach darüber, nicht einmal die Studenten, die genauso waren wie ich.
Die Geburt des Chicas Walk
In meinem zweiten Jahr an der Universität ging ich am Wochenende immer in die Unidisco. Dort waren schöne Frauen, viele von ihnen Models, was ich anfangs nicht wusste. Bis ich an einem Abend zwei der bekanntesten slowakischen Models kennenlernte. Die beiden kamen immer wieder zu mir auf die Tanzfläche, weil ich richtig gut tanzen konnte. Und nicht nur Salsa. Ich machte den Moonwalk und drehte mich mehrfach um die eigene Achse … Und wenn der DJ einen Song von Gloria Estefan auflegte, brach das Salsafieber bei mir aus. Dann bewegten sich hundert Prozent meines Körpers. Die Modelchicas fanden das super.
Damals war ich immer mit einem Kommilitonen unterwegs: Mišo, einem Slowaken, der Architektur studierte und auch heute noch einer meiner bester Freunde ist. Er ist heterosexuell und wusste damals nicht, dass ich schwul bin. Wir haben nie darüber gesprochen, denn es war nicht wichtig. Mišo besuchte oft seine Freunde, die Sportstudenten, die im gleichen Internat wohnten wie ich. Ich kannte ihn also schon vom Sehen, als wir an einem Wochenende in der Unidisco ins Gespräch kamen.
Mišo hatte nämlich bemerkt – da halfen mal wieder die Chicas –, dass alle
Weitere Kostenlose Bücher