Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
fertig war. Ich liebe das Musical und vor allem den Film mit Audrey Hepburn, die sich aus einem einfachen Blumenmädchen mithilfe eines Professors in eine bezaubernde Lady verwandelt. Wie habe ich immer mitgelitten, wenn die arme Eliza Doolittle nächtelang ordentlich sprechen lernen musste: Hartford, Hereford und Hampshire. Hurricans hardly happen … Ehrlich gesagt, leide ich noch heute ein bisschen, weil ich ja selber halbe Wörter verschlucke und Buchstaben verdrehe. Ich sage nur »Holzkreuz« … Vielleicht brauche ich ja auch einen Privatlehrer wie Professor Higgins alias Rex Harrison?
Aber zurück zu Inas Verwandlung: In ihrem neuen Look hatten die Jungs nur noch Augen für sie. Und weil ich der beste Freund dieser bezaubernden Chica war, fingen sie an, mit mir Freundschaft zu schließen – nur um in ihrer Nähe zu sein. »Wenn du eine der Chicas kennenlernen willst«, hieß es von dem Moment an, »dann musst du zu Jorge gehen, sonst hast du keine Chance.«
Da die kubanischen Studenten nur alle zwei Jahre in den Ferien nach Hause fliegen durften, bestand der Kontakt zu meiner Familie bloß aus Briefen und ab und zu einem Telefonat. Ich musste die Post immer im Konsulat abholen und auch meine eigenen Briefe dorthin bringen. Man sagte uns, so käme die Post auf dem »schnellsten und sichersten Weg« zum Empfänger. Im Dezember 1985 bekam ich einen Anruf vom Konsulat, in dem man mir mitteilte, dass meine Großmutter gestorben sei und ich einen Brief von meiner Mutter abholen könne. Ich war tieftraurig, als ich las, was meine Mutter schrieb. Denn ich wusste, ich würde nicht zu Omas Beerdigung fliegen können, um meiner Familie in dieser schwierigen Zeit beizustehen – ich durfte ja erst 1987 wieder nach Hause. Das waren sehr dunkle Tage für mich, weil ich so sehr an meiner Großmutter gehangen hatte. Da saß ich in Senec und trauerte, während der erste Schnee fiel. Schnee erinnert mich eigentlich immer an eine gigantische Menge Eiscreme, damals aber wirkte er nur trostlos, und ich fühlte mich einsam und allein. Der einzige Lichtblick waren meine Chicas – vor allem Ina und Maria – , die sich rührend um mich kümmerten.
Am 26. April 1986 kam es zur Katastrophe im Atomkraftwerk von Tschernobyl, bei der ein Kernreaktor explodierte. Als angehender Student der Nuklearökologie wusste ich, welch schlimme Folgen die Freisetzung der radioaktiven Stoffe für die Menschen und den Lebensraum nicht nur in der Ukraine haben würde. Das machte mir große Sorgen. Denn bevor ich zum Studieren in die Tschechoslowakei ging, war ich in Cienfuegos gewesen, wo seit 1982 das erste kubanische Atomkraftwerk gebaut wurde – und zwar von denselben Ingenieuren, die auch Tschernobyl konstruiert hatten. Mein Gott, dachte ich, wenn das auch in Kuba passiert? Nach dieser Katastrophe fand ich mein Studium noch viel wichtiger als zuvor, und zu meiner Erleichterung wurden die Arbeiten an dem kubanischen Reaktor glücklicherweise später gestoppt.
Kurz bevor wir nach Bratislava an die Uni gingen, machte ich meinen kubanischen Kommilitonen einen Vorschlag: »Leute, wollen wir unsere Freunde zu einem kubanischen Abendessen einladen und ihnen unsere Kultur zeigen?« Weil alle – die Studenten und die Lehrer – die Idee gut fanden, gab es in der Folgezeit eine Reihe von internationalen Abendessen. Denn die Chicas und Chicos aus den anderen Ländern griffen die Idee auf, sogar die Afghanen und Syrer.
Ich liebte diese Kombination aus Essen, Musik und Gesprächen über das jeweilige Land und seine Religion. Damals lernte ich die Eigenheiten vieler Kulturen kennen und habe die Menschen danach besser verstanden. In unserer kleinen Internatswelt gab es nach ein paar Monaten keine Probleme mehr zwischen den Nationen, und die anfänglichen Missverständnisse waren verflogen.
Like a Virgin
Im Juli 1986, ein knappes Jahr nach meiner Ankunft in der Tschechoslowakei, zogen wir um nach Bratislava, wo im Herbst 1986 mein erstes Studienjahr in Nuklearökologie an der Comenius-Universität beginnen sollte. Endlich war ich ein richtiger Student.
Gegenüber der Fakultät, an der ich studierte, lag mein Internat, das den Namen Družba hatte, was Kameradschaft bedeutet. Das Gebäude bestand aus zwei Teilen. In dem einen waren die Studenten der medizinischen Fakultät untergebracht und im anderen die Naturwissenschaftler, also auch die Studenten der Nuklearökologie. Ganz oben in meinem Gebäude wohnten außerdem die hübschen Jungs, die Sport
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