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Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Titel: Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge González
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doch machte man mir unmissverständlich klar: Noch ein Verstoß gegen die Vorschriften und man würde mich sofort nach Kuba zurückschicken. Damals dachte ich nur: Was auch geschieht, ich gehe auf keinen Fall nach Kuba zurück. Ich bleibe und lebe nach meinen eigenen Regeln.
    Wie streng ich mich an die Auflagen gehalten habe, könnt ihr daran sehen, dass ich ein paar Wochen später verbotenerweise mit meinem Freund Mišo nach Wien reiste, und zwar im Kofferraum seines Autos. Da wir Kubaner unsere Pässe im Konsulat abgeben mussten, besaß ich kein Dokument, um legal über die Grenze zu kommen, und habe mich im Kofferraum versteckt. Mišo brauchte als tschechoslowakischer Staatsbürger für Österreich ein Visum, das er problemlos bekam.
    Aus heutiger Sicht betrachtet, war das eine ziemlich gefährliche Aktion, und ich hatte Glück, im Kofferraum unentdeckt zu bleiben. Aber ich wollte unbedingt herausfinden, ob der Kapitalismus tatsächlich so schlecht war, wie man es uns auf Kuba immer gesagt hatte. Als ich ein Kind war, hieß es, die kapitalistische Gesellschaft sei total verdorben, süchtig nach Kommerz, egoistisch und ungerecht, weil die Kapitalisten andere Menschen unterdrückten und die Reichen den Armen das Geld wegnähmen. Mit anderen Worten: Alles Schlechte vereinte sich im Kapitalismus.
    Und dann sah ich die erste kapitalistische Stadt: Wien. Mir gingen die Augen über. So was hatte ich noch nie gesehen: diese vielen Geschäfte, dieser Luxus und diese Eleganz. Gut gekleidete Menschen, wunderschöne Restaurants, schicke Autos … Die Leute, die Häuser, die Geschäfte, alles war einfach ganz anders. Weil ich nicht viel Geld hatte, kaufte ich nur ein paar Mozartkugeln als Geschenk für Ina und meine anderen Freundinnen (und stopfte sie zur Sicherheit in meine Stiefel, bevor ich vor der tschechischen Grenze wieder meinen Platz im Kofferraum einnahm).
    Abends gingen wir in eine Wiener Diskothek, wo mich eine junge Frau ansprach und fragte, woher ich komme. Bei dem Wort »Kuba« bekam sie leuchtende Augen und fing an, von ihren Reisen zu erzählen: Miami, Spanien, Italien, Frankreich. Als sie all die Orte aufzählte, die ich nicht kannte, dachte ich mir: So schlecht kann der Kapitalismus eigentlich nicht sein – wenn eine Chica, die gerade mal so alt ist wie ich, mit mir über all die Länder spricht, die ich so gern kennenlernen würde. Für mich war es ja schon ein Wunder, überhaupt in Wien zu sein.
    Zurück zu den Wurzeln
    Als ich Anfang Juli 1987 das erste Mal nach fast zwei Jahren nach Kuba zurückkehren sollte, war ich wahnsinnig aufgeregt. Ich hatte große Sehnsucht nach meiner Familie und schon jede Menge Geschenke von meinen Ersparnissen gekauft, darunter mehrere Paar weißer High Heels für meine Schwester. Meine letzte Prüfung – Kartografie – fand an einem Freitag statt. Einen Tag später wollte ich in den Zug nach Prag steigen, von wo aus die Maschine nach Havanna ging.
    Kartografie, eines der schwierigsten Fächer des zweiten Studienjahrs, das ein superstrenger Professor unterrichtete. Er hatte mich auf dem Kieker, weil ich fast nie in den Vorlesungen, sondern nur im Praxisunterricht im Labor war. Dort musste man hingehen, um die nötigen Punkte zu bekommen, während ich die Vorlesungen schwänzte und den Prüfungsstoff mithilfe von Inas Notizen lernte.
    Als ich an diesem Freitag zur mündlichen Prüfung kam, warteten meine Kommilitonen bereits auf mich. In Gedanken war ich schon auf dem Weg nach Kuba und wollte diese letzte Prüfung einfach schnell bestehen und nach Hause fliegen. Doch als ich mit den anderen in den Prüfungsraum ging, sagte mein Professor plötzlich: »Nein, Jorge, du wartest draußen. Erst einmal kommen deine drei Kollegen an die Reihe.« Mir rutschte das Herz in die Hose, weil ich wusste, dass meine Heimreise auf dem Spiel stand. Denn die Studentenbibel schrieb zwar vor, dass wir alle zwei Jahre nach Hause fliegen durften, aber nur wenn wir alle Prüfungen bestanden hatten. Wer das nicht beim ersten Anlauf schaffte, musste in Bratislava bleiben.
    Nachdem die anderen fertig waren, wurde endlich ich in den Raum gerufen. Kartografie ist wirklich das Schlimmste, was ihr euch vorstellen könnt. Man muss alle Gesteine auswendig kennen und dazu alle Mineralien, die in dem Gestein enthalten sind. Auf dem Tisch vor mir lagen mindestens vierhundert verschiedene Gesteinsarten. Ein Teil der Prüfung bestand darin, die Proben, die der Professor mir in die Hand drückte, zu benennen und

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