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Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Titel: Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge González
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in Kuba immer gehört hatte. Einige meiner Dozenten in Bratislava waren schwul, und niemand fand etwas dabei. Die Leute haben zwar darüber gesprochen, aber es zumindest toleriert.
    Mein zweites – geheimes – Ich war in Bratislava sichtbar und erwachsen geworden. Mit diesem neuen Selbstbewusstsein war ich in meine Vergangenheit gereist – zurück zu meinen Wurzeln. Doch wieder einmal konnte ich in doppeltem Sinne nicht atmen. An diesem Punkt war mir endgültig klar: In Kuba ändert sich noch lange nichts, dort gibt es keinen Platz für mich. Nach der Geschichte mit der weißen Jeans war ich glücklich, in die Tschechoslowakei zurückkehren zu können.
    Wieder in Bratislava versetzte mich die Schlagzeile einer Zeitung noch einmal in meine Vergangenheit: »Das Ballet Nacional de Cuba kommt nach Bratislava in die Oper.« Und kurz darauf erreichte mich schon ein Anruf von Eva, der Übersetzerin der »Tropicana«-Show: Ob ich nicht Lust hätte, ihr wieder beim Übersetzen für die Kompanie zu helfen. »Jaaaaaaaaaa«, schrie ich in den Hörer. Natürlich hatte ich Lust!!!
    Ich war hin und weg bei dem Gedanken, Alicia Alonso, die Grande Dame des kubanischen Balletts, persönlich zu treffen. Und tatsächlich stand ich wenig später meinem Kindheitstraum gegenüber. Bei dieser Begegnung, sie war damals schon eine alte Dame, hatte sie wie fast immer ein Tuch um den Kopf gebunden und ihre dicke Brille auf. Sie trug einen grauen sehr feinen Body und Jazzpants, da sie gerade vom Training kam. Ich bewunderte diese Frau dafür, die mit bald siebzig immer noch tanzte, und das, obwohl sie fast blind war. Am Bühnenrand waren extra für sie Scheinwerfer aufgestellt, damit sie sich an der Helligkeit orientieren und zurückgehen konnte, um nicht von der Bühne zu fallen oder an die Seitenwände zu stoßen.
    Alicia kam im Foyer der Oper mit ihrem Assistenten auf mich zu, streckte ihre langen, schmalen Arme aus, umfasste mit den feingliedrigen Fingern ihrer »Spinnenhand« mein Kinn und begutachtete mich von allen Seiten. Dann führte sie mit einer divenhaften Geste eine Hand an die Stirn und hauchte: » Igualito a Lazarito, yo pensaba que era él!« Er ist ganz genauso wie Lazaro. Ich dachte, das ist er.
    Meine gesamte Kindheit hatte ich davon geträumt, zu dieser Tanzkompanie zu gehören. Und nun stand Alicia Alonso vor mir, mein großes Idol. Sie, die meine Lehrerin hätte sein sollen, verglich mich mit Lazaro, einem sehr guten Tänzer der Kompanie. Dieser Zufall war wie ein kostbares Geschenk und machte mich zugleich traurig.
    Denn ich war nicht Lazaro. Ich hatte mir so viele Jahre gewünscht, zu Alicia Alonso zu gehen. Die Jahre waren vergangen, und dieser Traum lag lange zurück. Mittlerweile befand ich mich mitten in meinem Plan B. Aber als Alicia vor mir stand, kam das alles wieder in mir hoch. Es hätte also vielleicht sein können, dass … Und die Chance, die ich nie bekommen hatte, fühlte sich irgendwie noch ein bisschen verpasster an.
    Lambada für die Freiheit
    Während der Semesterferien 1988 blieb ich in der Tschechoslowakei, denn ich durfte ja nur alle zwei Jahre nach Kuba reisen. Da ich gerade keine Arbeit als Model hatte, suchte ich mir einen Ferienjob, um mein Stipendium aufzubessern. Morgens ab fünf arbeitete ich in der Landwirtschaft und half beim Heumachen, und am Nachmittag montierte ich in einer Fabrik Kühlschränke am Fließband.
    Im Herbst begann mit dem dritten Studienjahr zugleich die schwierigste Zeit des Studiums, weil wir uns spezialisieren mussten. Wir hatten die naturwissenschaftlichen Grundkenntnisse erworben, und nun ging es ans Eingemachte. Wir mussten unsere Kenntnisse auf einer höheren Ebene anwenden, da war eine ganz andere intellektuelle Reife gefragt. Zudem kamen neue komplexe und abstrakte Fächer wie Nuklearphysik und Atomchemie hinzu. Das erforderte Konzentration und analytisches Denken.
    Trotzdem besserte ich weiterhin mein Stipendium mit Tanz- und Modeljobs auf. Da sich die Agentur, für die ich arbeitete, im Kulturinstitut befand, begegnete ich dort immer wieder Leuten von der Theaterhochschule in Bratislava und freundete mich mit einigen an. Einer der Regiestudenten bat mich sogar, bei seiner Abschlussinszenierung, einer modernen Interpretation von Shakespeares Richard II., die Rolle des Narren zu übernehmen. Er suchte jemanden, der mit Akzent sprach und mal nicht und dann wieder doch, zu verstehen war. Die perfekte Rolle für mich, oder?
    Zwei meiner Theaterfreunde waren sehr

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