Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
komm mit«, befahl mir der Polizist. Wir gingen zu einem Parkhaus, das sich neben dem Universitätsgebäude befand. Dort kontrollierten die Polizisten den Inhalt meiner Plastiktüte und überprüften die Telefonnummer, die ich ihnen genannt hatte. Während ich wartete, tauchte zum Glück Manuel auf. Nachdem alles geklärt war, durfte ich meine silberne Plastiktüte nehmen, und wir konnten endlich wieder gehen.
Ein paar Tage später beschlossen wir, ein Kino in der Altstadt von Havanna zu besuchen, das neben einem Park liegt, dem Parque Fraternidad . Und nicht weit entfernt befindet sich das »Casa del Té«, ein Teesalon und beliebter Treffpunkt im alten Havanna, wo wir schon zu Schulzeiten immer waren. In diesem Teil der Stadt gingen viele Intellektuelle, Künstler und auch Homosexuelle aus. Die Chicos liefen auf der Straße spazieren, unterhielten sich und checkten, wer schwul war und wer nicht.
Als ich ausgehfertig im Flur seines Apartments stand, schaute mich Manuel mit strengem Blick von oben bis unten an und sagte: »Wohin willst du denn? So gehst du nicht aus dem Haus.«
»Wieso? Was bitte ist falsch?«
»Bist du verrückt«, rief er händeringend. »Hast du das vergessen? Ein kubanischer Mann trägt niemals weiße Jeans.«
»Wie bitte?«, antwortete ich. »Die Männer in Kuba tragen doch alle weiße Hosen.«
»Ja, schon, aber keine engen weißen Jeans. Da bekommst du sofort den Stempel ›homosexuell‹ aufgedrückt.«
Und in diesem Augenblick antwortete mein neues ganzes Ich: »Das ist mir egal. Ich gehe mit meinen engen weißen Jeans aus.«
Wir spazierten unter den Arkaden des Gran Teatro entlang und wollten gerade die Straße zum Kino überqueren, da hielt ein Polizeibus neben uns.
»Hey, ihr beiden da«, schrie uns einer der Polizisten zu, winkte uns heran, und wieder begann das gleiche Spiel. Einer wollte unsere Papiere sehen. Doch weil ich keine hatte, mussten wir uns breitbeinig mit dem Gesicht zum Bus hinstellen und die Hände aufs Dach legen.
Als einer der Polizisten anfing, mich abzutasten, hörte ich, wie ein paar Männer mit schrillen Stimmen nach uns riefen: »Hey , chicos , kommt doch rein zu uns. Hier ist es so heiß. Hier werdet ihr Spaß haben.« Der Bus war voll mit Homosexuellen, die verhaftet worden waren und uns aus den vergitterten Fenstern beobachteten.
»Mach die Hose auf«, befahl mir der Polizist plötzlich.
Ich tat, was er sagte, und merkte, wie er mit einer Hand in meine Hose griff, mir an den Hintern fasste und versuchte, mir seinen Finger in meine Poritze zu stecken.
»Hey, was machst du da?«, schrie ich, so laut ich konnte. »Jetzt reicht’s aber. Ich lasse mir das hier nicht länger gefallen.« Wutentbrannt wiederholte ich, dass ich Student sei und er gefälligst die Nummer anrufen solle, um meine Identität zu überprüfen. Er ließ mich mit heruntergelassener Hose und erhobenen Händen am Bus stehen und ging nach vorn, um sich per Funk mit der Zentrale in Verbindung zu setzen. Ein paar Minuten später ließen uns die Polizisten gehen.
Dieses Erlebnis war ein Schock für mein noch junges gereiftes Ich. Bei meiner ersten Rückkehr nach Kuba als Student wurde ich wegen einer weißen Jeans be- und verurteilt. Und das alles nur, weil die Leute merkten, dass ich schwul war. Während Manuel und ich zum Kino zurückgingen, fiel mir wieder der Homosexuelle aus Jatibonico ein. Gerade hatte ich am eigenen Leib erfahren, was er sein ganzes Leben lang ertragen musste: Intoleranz und Hass, nur weil er anders war. Und noch immer wurden Homosexuelle geächtet und verfolgt.
Die Regierung war der Überzeugung, »dass ein Homosexueller niemals die Charakterstärke eines Revolutionärs« haben könne. Nach der Revolution von 1959 hatte man Schwule sogar in Arbeitslager gesteckt, um sie durch harte Arbeit »zu richtigen Männern« zu erziehen. Sie waren unerwünscht in meinem Heimatland, sie wurden gehasst, diskriminiert, schikaniert und bestraft. Und soeben hatte ich wieder einmal den Beweis erhalten, dass sich daran nichts geändert hatte. Das war so in meiner Kindheit, das war so während meiner Schulzeit, und es war immer noch so, als ich als Student zu Besuch kam.
Warum diskriminierte man Homosexuelle in Kuba nach wie vor? In der Tschechoslowakei, ebenfalls ein sozialistisches Land, tat man das schließlich auch nicht. Ich hatte in den zwei Jahren dort viele erfolgreiche Homosexuelle getroffen und die Erfahrung gemacht, dass es nicht falsch war, schwul zu sein, wie ich es
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