Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
die Hauptbestandteile aufzuzählen. Furchtbar, ich habe dieses Fach gehasst – wie die meisten anderen Studenten auch, weil man so viel lernen musste.
Aber irgendwie hatte ich geahnt, dass der Professor streng mit mir sein würde, deshalb war ich gut vorbereitet und hatte sogar Sachen gelernt, die erst im dritten Studienjahr drankamen. So konnte ich nicht nur alle Fragen beantworten, sondern gleich zu Beginn der Prüfung ein bisschen »angeben« mit meinem Zusatzwissen. Auf einmal fing der Professor an, mit mir zu diskutieren, statt mir Fragen zu stellen. Aus der Prüfung ist ein Fachgespräch zwischen Freunden geworden, dachte ich, bis der Professor auf einmal sagte: »González, González, du hast dich aber gut vorbereitet! Ich weiß, dass du morgen nach Kuba fliegen willst. Was machen wir jetzt mit dir?« Dabei lächelte er so geheimnisvoll wie eine Sphinx.
O Gott, er hat mich total in der Hand, dachte ich, denn wir waren bei der Prüfung allein gewesen. Nach gefühlten zehn Minuten streckte er den Daumen nach oben und sagte: »Gut so, du hast bestanden. Schöne Grüße an deine Familie.«
An dem Abend feierten wir eine gigantische Abschiedsparty. Wir kochten Spaghetti und tanzten die ganze Nacht. An dem Abend hatte ich übrigens meinen ersten Rausch – mit zwanzig Jahren –, weil ich alles durcheinandergetrunken habe, was die Studenten der unterschiedlichsten Nationen mitgebracht hatten: billigen slowakischen »Studenten«-Wein, Metaxa, Uzo, Whisky, Bier und kubanischen Rum. Um drei Uhr morgens, als ich mich einen kurzen Moment vom Tanzen ausruhte, musste ich mich übergeben. Von da an übernahm Ina die Regie; sie brachte mich ins Bett, weckte mich ein paar Stunden später wieder, stellte mich unter die eiskalte Dusche und stieg mittags mit dem leicht verkaterten Jorge in den Zug nach Prag.
Nach zwei bewegten Jahren kehrte ich nach Kuba zurück mit einem »ganzen« Ich, das in der Tschechoslowakei frei, selbstbewusst und erwachsen geworden war. Meine Familie war total aus dem Häuschen. Nicht nur weil »der Student aus Europa« endlich nach Hause kam, sondern auch weil ich ein richtig guter Student war, denn ich hatte alle Prüfungen mit Eins bestanden. Natürlich wussten meine Eltern nichts von der Bewährungsstrafe …
Nach der Landung nahm man uns sofort wieder die Pässe weg. Stattdessen bekamen wir eine Telefonnummer und einen Nummerncode. »Falls ihr ein Problem habt«, sagten unsere Betreuer, »dann ruft einfach die Nummer an und nennt den Code, damit ihr identifiziert werdet.«
Am Ausgang erwartete mich schon meine gesamte Familie, Mama, Papa, meine Geschwister, Tanten, Onkel, Cousins, Cousinen, dazu mein bester Freund Manuel. Alle waren da. Sie brachten mich erst einmal nach Jatibonico. Schon auf der Fahrt in unseren kleinen Ort musste ich andauernd niesen. Die Stauballergie war zurück, und meine Nase machte sofort dicht. Ein paar Tage später fuhren wir dann alle zusammen nach Varadero ans Meer, wo meine Eltern ein Haus gemietet hatten. Es war herrlich, endlich wieder Zeit mit meiner Familie zu verbringen.
Nach zwei Wochen Urlaub besuchte ich Manuel, der mittlerweile in Havanna in einem kleinen Apartment wohnte. Ich wollte wissen, wie er jetzt lebte, und auch Havanna wiedersehen, wo wir als Schüler auf unseren Reisen eine so gute Zeit verbracht hatten. Manuel studierte mittlerweile Biologie und verdiente nebenher Geld, indem er Kleider schneiderte. Er konnte schon als Kind richtig gut nähen.
Eines Abends waren wir um halb sechs vor der Universität verabredet. Wir wollten zusammen zu meiner Cousine gehen. Ich hatte Unmengen von Geschenken für meine Familie mitgebracht, darunter auch eines für diese Cousine: ein Kleid, das in einer schönen silberfarbenen Plastiktüte steckte.
Während ich wartete, kamen zwei Polizisten auf mich zu, schauten mich und meine silberne Tüte skeptisch an und fragten mich nach meinem Ausweis. Ich antwortete, dass ich als Student, der in Europa studierte, meinen Pass abgegeben hätte.
»Wie, du kannst dich nicht ausweisen?«, herrschte einer der beiden mich an. »Und was hast du da überhaupt in dieser komischen Tüte?«
»Entschuldigung, da ist ein Geschenk für meine Cousine drin«, antwortete ich so ruhig es ging, obwohl ich innerlich fast platzte. »Ich studiere Nuklearökologie in der Tschechoslowakei. Sie können das überprüfen, wenn Sie diese Nummer anrufen.« Ich zog den Zettel aus der Hosentasche, den mir unsere Betreuer gegeben hatten.
»Nein,
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