Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
Oder: »Liiiinks rum!« Oder: »Stoooopp!« Bei der ersten Show lief er vor Aufregung einfach los, weil er die Choreografie vergessen hatte. Ich musste hinter ihm her und so tun, als sei das alles geplant gewesen. Das Publikum lachte sich tot, denn Mišo trampelte so herum, dass man den Eindruck bekam, ich würde neben einem Traktor herlaufen.
In dieser Zeit ging die Beziehung zu dem Piloten zu Ende. Ich lernte einen jungen Mann kennen, der erfolgreich als Model arbeitete und in der Tschechoslowakei sehr bekannt war. Erst gingen wir miteinander aus, und irgendwann hatten wir eine feste Beziehung. Das hört sich jetzt vielleicht nach freier Liebe an, war aber nicht so. Homosexualität wurde in der Tschechoslowakei zwar grundsätzlich akzeptiert, trotzdem wussten nach wie vor nur meine engsten Freunde, dass ich schwul war. Vor allem vor unseren kubanischen Betreuern hielt ich mein zweites Ich weiterhin geheim.
Natürlich besuchte mein neuer Freund mich ab und zu im Wohnheim. Wenn er über Nacht blieb, sorgte ich immer dafür, dass uns niemand sah und die Tür zu meinem Zimmer abgesperrt war. Eines Abends, als ich dachte, ich sei allein mit ihm in dem Gemeinschaftsapartment, tauchten unerwartet meine Mitbewohner und einige meiner Kommilitonen auf. Ein Versteck für meinen Freund musste her. Der einzige Platz, der sich dafür eignete, war mein Schrankbett, das ich tagsüber verräumen konnte, um mehr Platz zu haben. Und so musste mein armer Freund hochgeklappt im Schrankbett liegen, während die anderen im Gemeinschaftsraum etwas tranken und quatschten. »Nie wieder«, sagte er stinksauer, als alle anderen ins Bett gegangen waren und ich ihn endlich befreien konnte.
Die kommunistische Partei und das kubanische Konsulat organisierten regelmäßig Veranstaltungen für uns Studenten aus Kuba. Fast jeden Abend gab es eine reunión , eine Versammlung, manchmal nur mit den Studenten der jungen kommunistischen Union, manchmal auch mit den Betreuern vom Konsulat oder mit den kubanischen Arbeitern in Bratislava. Auf diesen Versammlungen diskutierte man über die Reden von Staatschef Fidel Castro, der fast jeden Tag im kubanischen Fernsehen sprach. Zusätzlich fanden jedes Wochenende Meetings im Konsulat statt, wo man die allerneuesten Reden von Castro anhörte und die wichtigsten Artikel aus der Granma , der Zeitung des Zentralkomitees der kommunistischen Partei, zu lesen bekam. Immer war irgendetwas los.
Meistens erfand ich Ausreden, um nicht teilnehmen zu müssen. Ich wollte in meiner freien Zeit lieber Geld verdienen, als politische Propaganda über mich ergehen zu lassen. Deshalb fing ich gleich im ersten Jahr an zu arbeiten, obwohl das laut unserer Studentenbibel ausdrücklich verboten war. Doch mit dem Stipendium, das ich bekam, konnte ich keine großen Sprünge machen. Genau das wollte ich aber! Ich bin ein sehr guter Student, sagte ich mir, warum darf ich nicht nebenbei arbeiten?
Mit dem Geld, das ich beim Modeln und Choreografieren verdiente, konnte ich es mir leisten, nach Prag zu fliegen und dort das Ballett, die Oper oder Diskotheken zu besuchen, in Bars und Restaurants zu gehen oder auch ein Paar High Heels für meine Schwester zu kaufen – all das eben, wovon ich in Kuba lang genug geträumt hatte. Um mich tänzerisch weiterzuentwickeln, schloss ich mich einer Modern-Dance-Gruppe an. Wir studierten viele ausgefallene Choreografien bei einer Lehrerin ein und nahmen an Wettbewerben teil. Das alles kostete Geld …
1987 kam das Ensemble des »Tropicana«, der weltberühmten Tanzshow in Havanna, für ein Gastspiel nach Bratislava. Ein riesiges Ereignis. Ich wollte unbedingt dorthin. Weil Eva, die Dolmetscherin der Truppe, die Schwester einer meiner Kommilitoninnen war, nahm sie mich einmal mit dorthin. Da sie so viel zu tun hatte, fing ich einfach an, ihr beim Übersetzen zu helfen. Von da ab war ich öfter bei der Show. Und was passierte? Ich verliebte mich in einen kubanischen Tänzer und begleitete das Ensemble auf seiner Tournee durch die Tschechoslowakei. Fast vier Wochen lang schwänzte ich die Uni, um mit den Leuten vom »Tropicana« von einer Ecke des Landes zur anderen zu reisen.
Als die Tournee zu Ende war, kehrte ich zur Universität zurück. Da unsere Betreuer – für uns Studenten so etwas wie Spitzel, denn sie wussten immer alles – meine Abwesenheit natürlich bemerkt hatten, lud man mich vor. Weil ich ein so guter Student war, bekam ich für mein unerlaubtes Fehlen bloß eine Bewährungsstrafe,
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