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Holidays on Ice

Holidays on Ice

Titel: Holidays on Ice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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diesem ganzen Zusammentreffen mit Weihnachtsmann und Rentier natürlich um nichts als einen Traum handelte. Unser Held erwacht in voller Weihnachtslaune, hat eine Lektion gelernt und bla und bla und bla. Der einzige Lichtblick des gesamten Abends war die Anwesenheit von Kevin »Pummel« Matchwell, dem elfj ährigen Schweinchen Schlau, welches die Rolle des Weihnachtsmanns mit betörender Authentizität anging. Zwar dämpfte der Umhängebart seine Rede oft bis zur Unverständlichkeit, dafür waren aber seine aneinander scheuernden Oberschenkelinnenseiten bis zum Nordpol zu hören. Immerhin schien mir diese überladene Inszenierung ein getreues Abbild des für die Jahreszeit typischen Festessens zu sein, lehrte sie uns doch, dass auch die Weihnachtsgans das Fest nicht retten kann, wenn sie zu üppig gefüllt ist.
    Wieder einmal haben die Sadisten von der Jane-Snow-Hernandez-Mittelschule zu den gl ühenden Schüreisen gegriffen, um Ein Weihnachtsmärchen in irgendeine Form zu zwingen. Ich hätte vielleicht über die zutiefst schäbige Inszenierung und das bleierne Tempo hinweggesehen, aber wir sprechen hier von Sechstklässlern, und die sollten es besser wissen. Es hat wirklich nicht den geringsten Sinn, diesen Dickens-Stinker auf die Bühne zu bringen, es sei denn, man blickte hinter die Billigstmoral der Vorlage und machte sich an das wenige histrionische Fleisch, das sie möglicherweise doch zu bieten hat. Der Witz ist, das matschige Kernstück herauszulösen, aber hier wird es als Hauptgericht serviert, das angegangene Dessert. Am meisten Schuld trifft die Regisseurin, Becky Michaels (11), die die Geheimnisse ihrer Spielleitung den hiesigen Schülerlotsen abgeschaut zu haben scheint. Sie neigt dazu, ihre Schauspieler zusammenzuklumpen, und schickt sie nur in Gruppen von mindestens fünf Personen über die Bühne. Als aufrechte Verfechterin einer trend gerechten polyethnischen Besetzungspolitik setzt Michaels uns einen schwarzen Tiny Tim vor, bei dem das Publikum sich fragt: »Wer soll das Kind denn wohl adoptieren?« Dies ist ein Schritt in die falsche Richtung, verbohrt und sinnlos. Die Rolle wurde vom jungen Lamar Williams gespielt, dem es, wenn schon sonst nichts, gelang, ein anständiges Hinken durchzuhalten. Das Programmheft vermerkt, er habe vor kurzem seinen rechten Fuß an den Diabetes verloren, aber war das wirklich Grund genug, ihn einzusetzen? Als Tiny Tim fischt der Junge mit dem Schleppnetz nach Mitleid und versucht sogar dem hellerleuchteten Schild mit der Aufschrift AUSGANG die Schau zu stehlen. Bob Cratchit, der hier von - keine Namenswitze! — Benjamin Banal gespielt wird, scheint seinen Cockney-Akzent von alten »Hee-Haw«-Videos zu haben, und Hershel Fleishmans Scrooge war fast so lahm wie Tiny Tim.
    Das B ühnenbild war nicht ohne Charme, aber Jodi Lennons entsetzliche Kostüme markieren hoffentlich Krönung und Endpunkt einer kurzen und nichtssagenden Karriere. Ich erstickte fast am Geruch lederfarben eingesprühter Turnschuhe, und wenn ich nur noch einen einzigen Zylinder sehe, der aus einer großen Haferflockenbüchse hergestellt wurde, schieße ich, ich schwör's, wild um mich.
    Das Problem bei all diesen Vorf ührungen rührt wahrscheinlich daher, dass sie so irrwitzig gefallsüchtig daherkommen. Mit einem Lächeln, so stramm gedehnt wie ein Bungee-Seil, hüpften und tollten diese hoff nungslosen Amateure auf unseren B ühnen herum, versteckten sich hinter ihrer Jugend und bettelten um, ja, forderten Verzeihung für ihre ungeheuerlichen Fehler. Die englische Sprache wurde zur Paste zerkaut; Gelegenheiten kamen, wurden nicht ergriffen und gingen wieder; die Szenenwechsel waren so langsam, als stäken die Bühnenarbeiter in Ganzkörpergips. Zwar wurde das alles als Festtagsunterhaltung ausgegeben, aber keine einzige dieser Produktionen schaffte es auch nur entfernt, den Geist der Weihnacht zu verströmen. Diese funkelnde Ironie schien den Scharen von Eintrittskartenbesitzern zu entgehen, welche die ungaren Truthähne bis auf die Knochen verschlangen. Hier war ein Publikum, das bei jedem technischen Versagen kicherte und wie von Sinnen applaudierte, sobald eine neue Person die Bühne betrat. Sobald ein Vorhang fiel, sprang es zu einer stehenden Ovation nach der anderen auf, während ich auf meinem Puppenstühlchen verkeilt blieb und mich fragte: »Liegt das nur an denen, oder entgeht mir was?«

Nach einer wahren Begebenheit
    Guten Morgen, ihr Leut, und Frohe Weihnachten. Da euer Geistlicher,

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