Hollisch verliebt
wie die Hexen. Auch wenn Tucker sie weggeschickt hatte, würden sie wiederkommen. Und zwar alle.
„Also, was liest du hier jeden Tag?“, wechselte Tucker das Thema. Um sie abzulenken? Damit sie sich beruhigte? „Sag es mir, vielleicht kann ich helfen. Noch mehr helfen.“
Wie subtil. „Es geht um Aden und um Geheimnisse, die er mir anvertraut hat. Dir werde ich sie nicht weitersagen.“
Einen Moment lang schwieg er, bevor er sagte: „Geheimnisse, Geheimnisse, lass mal sehen. Da gibt es so viele, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“
„Was meinst du damit?“
„Vlad hat mir befohlen, alles über Aden herauszufinden, bevor ich ihn erstechen sollte. Und weißt du was? Du bist nicht die Einzige, die gut recherchieren kann.“
Sie setzte sich sofort aufrecht hin, ihr Herz raste vor Angst. „Was hast du rausbekommen?“ Aden wollte nicht, dass jemand etwas über ihn wusste. Aus Scham, aber auch aus Vorsicht. Wenn die falschen Leute die Wahrheit über ihn erfuhren und auch noch glaubten, würde man ihn benutzen, testen, einsperren oder töten. Irgendwas davon mit Sicherheit.
Tucker hob eine Hand und ging die Punkte durch, als würde er sie von einer Liste ablesen. „In seinem Kopf sind drei Seelen gefangen. Früher waren es vier, und eine von ihnen war deine Mutter – deine echte Mutter, nicht die Tante, die dich als ihre eigene Tochter aufgezogen hat. Aber jetzt ist Eve weg. Was noch? Ach ja. Er ist jetzt der König der Vampire. Bis Vlad dazwischengeht und sich die Krone zurückholt.“
Volltreffer. Mit trockener Kehle krächzte sie: „Woher weißt du das alles?“
„Herzchen, ich kann jederzeit jedem Gespräch zuhören, ohne dass mich jemand bemerkt. Und dir habe ich oft zugehört.“
„Du hast mir hinterherspioniert.“
„Habe ich das nicht gerade gesagt?“
Wie oft? Was hatte er alles gesehen? Sie knirschte mit den Zähnen. Wenn sie ihm keine Energie entziehen konnte, würde sie ihn vielleicht einfach erstechen, so wie er Aden. „Wieso glaubst du, dass Vlad dieHerrschaft zurückgewinnt?“
Leicht mitleidig sah er sie aus grauen Augen an. „Ach bitte. Als könnte es anders ausgehen. Ich habe auch zu Vlad ein paar Recherchen angestellt, er hat als Krieger zahllose Kämpfe gewonnen und Jahrhunderte überlebt. Er ist einfach gemein, hinterhältig und ohne jedes Ehrgefühl. Und Aden? Ist für jemanden wie Vlad doch nicht mehr als ein Fleischkloß. Warum? Weil Aden bestimmt fair kämpfen wird und darauf achtet, dass niemand sonst in Mitleidenschaft gezogen wird – und das sind für ihn Nachteile.“
Nüchtern betrachtet konnte man das nicht abstreiten. Und für ihr eigentliches Ziel brauchte sie jede Hilfe, die sie bekommen konnte. Sogar von jemandem wie Tucker.
Mary Ann ließ sich nach hinten fallen, schloss kurz die Augen und konzentrierte sich auf ihren Atem. Immer schön ein und aus. Sie versuchte ruhiger zu werden und mit dem klarzukommen, was sie gleich tun würde. Falls Tucker sie verriet, würde sie ihren Freunden damit eher schaden als helfen. Falls nicht, könnte er tatsächlich helfen, Aden das Leben zu retten.
Keine Frage also. Sie musste es tun.
„Na schön“, sagte sie und erwiderte seinen Blick. „Ich erzähle dir jetzt die ganze Geschichte, die ungeschminkte Wahrheit.“
Voller Vorfreude rieb Tucker sich die Hände.
Die Geste wirkte nicht gerade beruhigend, und Mary Ann wurde noch angespannter. Trotzdem fing sie an: „Vor ein paar Wochen haben Aden und ich eine Liste von Riley und Victoria bekommen. Am zwölften Dezember vor siebzehn Jahren sind nämlich …“
„Moment mal. Am zwölften Dezember, an deinem Geburtstag?“
Sie blinzelte überrascht. Erstaunlich, dass er sich das gemerkt hatte.
„Ja. Jedenfalls sind in St. Mary’s, dem Krankenhaus, in dem Aden und ich geboren wurden, dreiundfünfzig Menschen gestorben.“ Als sie seinen verwirrten Blick bemerkte, fragte sie: „Habe ich eigentlich erwähnt, dass Aden und ich am gleichen Tag geboren wurden?“
„Nein, aber ich weiß davon.“
„Na gut. Die meisten dieser Menschen sind nach einem Busunfall gestorben. Und meine Mutter hat meine Geburt nicht überlebt.“ Mary Anns Mutter hatte genau wie Aden übernatürliche Kräfte besessen und Dinge tun können, die „normale“ Menschen nicht konnten, und Mary Ann hatte ihr schon als Baby alle Energie entzogen. Denk nicht daran, sonst musst du wieder heulen. „Auf dieser Liste stehen auch die anderendrei Seelen, die Aden unbeabsichtigt in sich
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