Hollisch verliebt
Sie konnte einen Menschen mit einem einzigen Biss zum Sklaven machen. Gut: Ihre Familie war ihr wichtig. Schlecht: Ihr Vater wollte ihn töten. Gut: Sie wusste, dass Aden nicht wie andere Menschen oder Vampire war, und sie mochte ihn trotzdem. Schlecht: Menschen und ihre Bedürfnisse interessierten sie nicht.
Bei ihrer einzigen richtigen Verabredung war sie um ihn herumgetanztund hatte Witze erzählt. Schlechte Witze, aber immerhin hatte sie sich Mühe gegeben. Seinetwegen. Sie hatte so sein wollen, wie sie glaubte, dass er es wollte und brauchte. Also ja, er hatte sie geliebt. Aber jetzt? Da war kein Funke, kein Anflug von einem zärtlichen Gefühl für sie.
Allerdings fühlte er sich noch zu ihr hingezogen. Am liebsten hätte er das Menschenmädchen weggestoßen und sich auf die Vampirin gestürzt. Er wollte ihr die Zähne in den Hals schlagen und sie unter sich begraben. Er wollte ihre Hände spüren und ihren Mund, sie sollte seinen Namen stöhnen.
Als ihm diese Gedanken durch den Kopf schossen, formten sie sich zu Bildern. Von ihr, von ihm, von ihnen beiden zusammen, während sie genau das taten, wonach er sich sehnte. Der Drang danach war so stark, dass er regelrecht knurrte. Der kehlige Laut erfüllte das Zimmer und stand wie eine Drohung zwischen ihnen.
Victoria glaubte offenbar, das Knurren würde dem Mädchen gelten. Mit einem Mal bebte sie vor Wut und Sorge. Er konnte die Gefühlsregungen in der Luft regelrecht schmecken und saugte umso heftiger an dem Arm des Mädchens.
Diese stöhnte begeistert auf.
Kraft durchströmte ihn. Seine Muskeln schwollen an, seine Knochen summten. Unglaublich. Wenn dieses Mädchen ihn schon so umwarf, welche Wirkung hätte dann erst die Vampirin auf ihn?
„Okay, das reicht.“ Riley kam zum Bett herüber und riss das Mädchen von Aden weg. „Verschwinde“, befahl er ihr.
„Ich … ich …“ Sie wankte. „Ja, natürlich.“ Er hörte Schritte, dann schlug die Tür zu.
„Victoria.“ Als der Wolf der Vampirin eine Hand entgegenstreckte, sprang Aden auf und stellte sich zwischen die beiden, damit sie sich nicht berühren konnten. Instinktiv wollte er beschützen, was ihm gehörte.
„Willst du mit mir kämpfen oder mit ihr?“, fragte Riley. So oder so schien er sich keine großen Sorgen zu machen.
„Weder noch.“ Mit beiden. Auch wenn er Victoria nicht mochte, wollte er sie immer noch. Sie sollte keinem anderen gehören. Dieser Drang, die gegensätzlichen Gefühle, sie kämpften in ihm. Was zum Teufel war mit ihm los? Er kam sich vor wie zweigeteilt.
„Na schön. Und warum hast du dann die Krallen ausgefahren?“
Krallen? Aden senkte den Blick, und tatsächlich waren seine Nägellang und scharf geworden, wie kleine Dolche an seinen Fingerspitzen. Eigentlich hätte ihn das erschrecken sollen, aber er hob nur die Hände ins Licht und betrachtete diese neueste Entwicklung. „Wie ist das möglich?“
Riley prustete leise und sagte: „Entweder verwandelst du dich nach und nach in einen Vampir, oder du bist der erste mir bekannte Mensch-Vampir-Mischling. Was ist also, kriegst du dich jetzt wieder ein, oder muss ich dich erst dazu bringen?“
Aden schnaubte leicht amüsiert. Nur leicht, aber immerhin amüsiert. „Du kannst es ja versuchen.“
Mit dieser Antwort hatte der Wolf offenbar nicht gerechnet. Blinzelnd schüttelte er den Kopf. „Pass auf, den Machoscheiß können wir uns für später aufheben. Irgendwas stimmt nicht mit dir, und ich weiß nicht, wie schwerwiegend das Problem ist. Also unterhalten wir uns mal kurz und finden es heraus.“
Aden hörte, wie Victoria hinter ihm von einem Fuß auf den anderen trat. Seine Nackenhärchen richteten sich auf, und ein Kribbeln überlief ihn. Er runzelte die Stirn. So sehr war er auf sie eingestellt? „Mit mir stimmt alles. Da hast du deine Unterhaltung. Jetzt versammle mein Volk in der großen Halle.“
Der drohende Unterton überraschte Aden nicht weniger als Riley. Seinen Anspruch auf den Thron hatte er erst vor Kurzem geltend gemacht, aber bisher hatte er die Vampire noch nie als „sein Volk“ betrachtet. Trotzdem waren sie es, und er hatte ihnen eine Menge zu sagen.
„Irgendwas ist wirklich nicht in Ordnung mit dir, Aden“, beharrte Riley. „Du hast nicht mal nach Mary Ann gefragt. Sie ist irgendwo allein da draußen, vielleicht in Gefahr. Interessiert sie dich nicht mehr?“
Eine Gefühlsregung blitzte in ihm auf, klang aber so schnell ab, dass er sie nicht recht erkennen oder ihre Bedeutung
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