Hollywood
sie rasch an.
»Wo willst du hin?« fragte sie.
»Ich haue ab.«
»He, das kannst du nicht machen«, sagte sie und versuchte zu lächeln.
»Du hast dich auch nicht an unsere Abmachung gehalten«, knurrte Joe.
»Ich wollte ja«, sagte sie. »War doch nicht mein Fehler.«
Er starrte sie ungläubig an, dann lachte er schallend. »Okay, Lutetia, und zieh deinen komischen Morgenrock aus.«
Zwei Stunden später schlief Kitty immer noch völlig bewußtlos. »Es ist schon fast acht«, sagte Joe. »Ich glaube nicht, daß sie heute noch aufwacht.«
»Das glaube ich auch nicht«, sagte Lutetia. Sie lächelte. »Weißt du, für einen Mann bist du gar nicht so schlecht.«
»Vielen Dank«, sagte er. »Darf ich mal telefonieren?«
Lutetia nickte. Träge beobachtete sie, wie Joe seine Kusine Motty anrief und ihr sagte, daß er sie um neun am Haupteingang des Kaufhauses an der Fulton Street abholen würde, wo sie arbeitete.
Joe hängte ein und suchte vergeblich nach etwas zu rauchen. »Ich muß jetzt gehen«, sagte er. »Hast du eine Zigarette für mich?«
»Klar«, sagte sie. »Auf dem Tisch. Nimm dir eine. Was soll ich Kitty sagen?«
»Ich werde sie morgen anrufen.«
»Okay«, sagte sie und griff nach ihrem Weinglas. »Du bist doch nicht sauer auf mich?«
Er lächelte. »Ach was. Aber das nächste Mal will ich genausoviel Zeit, wie ich dir gebe.« Die große, gußeiserne Normaluhr in der Fulton Street zeigte fünf Minuten vor neun, als Joe vor dem Haupteingang des Kaufhauses eintraf. Ein uniformierter Wachmann bezog gerade an der inneren Tür Posten, und kurz darauf kam ein zweiter, der die Türen von außen bewachte. Hereingelassen wurde jetzt niemand mehr, aber es waren immer noch Kunden im Laden. Als um neun die Schlußglocke läutete, kamen die meisten heraus. Die beiden Wächter hatten inzwischen begonnen, die Türen zu verriegeln. Lediglich in der Mitte blieb eine einzelne Tür für die Nachzügler offen, mit denen jetzt auch schon die ersten Angestellten auf die Straße hinausströmten.
Motty war eine der letzten; sie kam erst kurz vor halb zehn und lächelte vergnügt, als sie Joe sah. »Tut mir leid, wenn du warten mußtest«, sagte sie, »aber unser Werbechef wollte in letzter Minute noch Änderungen in den Sonntagsanzeigen.«
»Macht nichts«, sagte Joe und nahm ihren Arm. Sie gingen an den erleuchteten Fenstern von Gage & Tollners Restaurant vorbei, das gut besetzt war.
»Donnerstags essen hier immer die leitenden Angestellten«, sagte Motty.
»Ißt man da gut?« fragte er.
»Vor allem sehr teuer«, erwiderte Motty.
Er führte sie durch einige Seitenstraßen zur U-Bahnstation an der Atlantic Avenue. Das war eine Abkürzung, auf der Fulton Street hätten sie drei Blocks weiter laufen müssen, ehe sie die nächste U-Bahn erreicht hätten. Aber die Straßen waren finster. In den heruntergekommenen Mietskasernen wohnten Farbige und Puertoricaner, die alle von der Fürsorge lebten. Die wenigen Passanten wirkten mürrisch und unfreundlich. Jedesmal, wenn sie jemandem begegneten, klammerte sich Motty unbewußt an Joes Arm. Es war deutlich zu hören, daß sie aufatmete, als die hellen Lichter der Atlantic Avenue auftauchten. Der Eingang zur U-Bahn war gleich an der Ecke.
Joe hatte die beiden Fünfcentstücke schon in der Hand, und sie gingen direkt durch die Drehkreuze hinunter zur Plattform. »Laß uns ganz nach vorn gehen«, sagte er. Der erste Waggon war meistens etwas leerer, und außerdem würden sie auf diese Weise an der New-Lots-Station direkt gegenüber dem Ausgang aussteigen können.
Sie hatten Glück. Gleich der erste Zug fuhr in die richtige Richtung und war auch nur wenig besetzt. Sie setzten sich nebeneinander. »Na, wie geht's?« fragte Joe und warf Motty einen Blick zu.
»Danke, daß du mich abgeholt hast«, sagte sie. »Letzte Woche ist eine von den Frauen aus unserem Laden auf der Straße vergewaltigt worden.«
»Wahrscheinlich hat sie es nicht anders gewollt«, sagte er.
»Das stimmt nicht«, sagte Motty. »Zufällig kenne ich sie. Es handelt sich um ein sehr nettes, bescheidenes Mädchen. Warum denkt ihr miesen Kerle bloß immer, daß jedes Mädchen vergewaltigt werden will?«
»Weil sie es eben wollen«, sagte er trotzig. »Schau dir bloß mal an, wie sie sich anziehen. Schau dir dein eigenes Kleid an. Es ist so tief ausgeschnitten, daß deine Titten praktisch heraushängen, und so eng, daß jedes Wackeln mit dem Hintern wie eine Einladung aussieht.«
»Du hast bloß eine
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