Hollywood
und das Geräusch, mit dem das Streichholz über die Reibfläche kratzte, hörte sich in der leeren Wohnung wie die Notbremsung eines Schwerlasters an. Er nahm einen langen Zug und stieß den Rauch durch die Nase aus. Seine Hände zitterten. Er nahm noch einen Zug. Es waren nicht nur die zitternden Hände. In seinem Hinterkopf hämmerte eine Dampframme.
Mühsam rappelte er sich auf und ging in die Küche. Er nahm eine Cola aus dem Kühlschrank und drei Aspirin aus der Hausapotheke, löste die Tabletten in der braunen Flüssigkeit auf und spülte das Gebräu energisch hinunter. Dann trank er den Rest der Limonade zum Trost hinterher. Jetzt fühlte er sich so weit gekräftigt, daß er die Treppe bewältigen konnte.
Er knipste das Licht an, brachte es aber nicht über sich, das verwüstete Schlafzimmer auch zu betreten. Mottys Schrank war aufgerissen, leere Drahtbügel lagen überall auf dem Fußboden, die Kommodenschubladen standen halb offen. Es sah wie nach einer Plünderung aus. Durch die Badezimmertür war das ebenfalls aufgerissene Toilettenschränkchen zu sehen, das allerdings nur noch seinen Rasierapparat und die Rasiercreme enthielt. Sogar seine Zahnbürste und die Zahnpasta waren verschwunden.
Joe drehte sich um und warf einen Blick in Carolines Zimmer. Ihr kleines Bettchen und die übrigen Möbel waren verschwunden. Nur Rosas schmale Liege und ein schäbiger Kleiderschrank waren übriggeblieben und ließen den Raum noch verlassener aussehen, als wenn er ganz leer gewesen wäre. Joe fragte sich, ob Rosa wohl in jener fatalen Nacht ihre Habseligkeiten zusammengerafft hatte, ehe sie aus dem Haus gerannt war. Er machte sich nicht die Mühe, im Schrank nachzusehen. Rosa war jedenfalls nicht mehr wiedergekommen.
Er schloß die Tür und ging in sein Arbeitszimmer. Hier wenigstens war alles beim alten geblieben. Sein Manuskript lag immer noch ordentlich auf dem Schreibtisch. Lediglich in seiner Schreibmaschine steckte ein Blatt, das er dort nicht eingespannt hatte. Es war ein hastig hingekritzelter Brief in Mottys übelster Handschrift:
Du kannst mir den Buckel runterrutschen, Du Arschloch! Du bist ein elender Hochstapler. Du kannst auch nicht schreiben. Du hast bisher nichts als Scheißdreck geschrieben. Du kannst nicht mal einen Comic strip schreiben. Du kannst weder schreiben noch lieben. Jetzt, wo ich einen richtigen Mann kenne, weiß ich endlich, was Liebe überhaupt ist! Du schaffst in hundert Jahren nicht, was er in drei Minuten hinkriegt. Und bilde Dir bloß nicht ein, Du wärst so toll gebaut. Der von meinem Mann ist doppelt so groß, und ihm fallen Sachen ein, auf die Du niemals kommst. Du bist ein grüner Junge! Hol Dir einen runter und vergiß mich!
Alles Liebe, Motty
Ärgerlich zerknüllte er das Papier und schleuderte es in die Ecke. »Miststück!« sagte er. Dann bückte er sich, hob den Papierball noch einmal auf und glättete ihn auf dem Schreibtisch. Plötzlich lächelte er. Motty war doch eine blöde Nuß, dachte er. Erst schreibt sie so einen Brief und dann: ›Alles Liebe!‹ Er nahm das große, gerahmte Hochzeitsfoto vom Schreibtisch und betrachtete es nachdenklich. Mit einer raschen Handbewegung entfernte er das Glas aus dem Rahmen. Dann faltete er Mottys Brief so, daß man nur noch die Unterschrift lesen konnte, und deckte ihn über die untere Hälfte des Bildes, damit Mottys niedergeschlagene Augen madonnenhaft darauf herabblicken konnten. Dann legte er das Glas wieder ein und stellte das Bild zurück auf den Tisch. Wenn er jemals daran erinnert werden mußte, daß eine Frau ihn hereinlegen konnte, dann würde das wohl genügen.
Plötzlich merkte er, wie hungrig er war. Seit gestern mittag hatte er nichts gegessen. Er ging in die Küche, aber der Kühlschrank war leer. Eine halbe Flasche Milch, ein paar Flaschen Cola, zwei Flaschen Bier – das war alles. Morgen mußte er unbedingt einkaufen gehen.
Er verließ die Wohnung, setzte sich ins Auto und fuhr zu einem Drive-in-Schnellrestaurant am Sunset Boulevard, das Tag-und-Nacht-Service hatte. Es war kurz nach zwei mittlerweile und das Drive-in so gut wie leer. Er fuhr an die Rampe, stellte den Motor ab und drehte das Fenster herunter.
Kaum eine Minute später kam eine hübsche kleine Blondine, die eine französische Matrosenmütze mit rotem Pompon, ein kurzärmeliges Baumwollkleid, das kaum ihre knappen Shorts bedeckte, und hochhackige rote Pumps trug und klemmte ihm das Tablett an die Tür. »Kaffee?« fragte sie. Den Pappbecher
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