Holst, Evelyn
aus, mein Schatz. Ich bin richtig stolz, dass du meine Frau bist.“
Sie setzten sich, von der Bar grüßte der bierzapfende Wirt, als ihnen vom Kellner sofort zwei Gläser Cava auf den Tisch gestellt wurden. „Auf einen schönen Abend“, Hendrik hob sein Glas. „Ja“, murmelte Marion und hob das ihrige. „Auf einen schö...“ und sie verschluckte sich.
5. Kapitel
Auf dem großen Eichentisch in Marius Wohnküche sah es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Eine kulinarische Verkehrskreuzung, auf der es zu einer Massenkarambolage gekommen war. Schmutzige Teller, zerknüllte Servietten, tropfende Kerzen. „Ich bin so satt, ich könnte platzen“, seufzte Leonie wohlig und streckte sich wie eine Katze vor der Sahneschüssel. „Wo hast du bloß so gut kochen gelernt?“ Marius, der gerade seine Kühlschranktür geöffnet hatte, drehte sich um: „Der Not gehorchend, nicht dem eignen Triebe“, erwiderte er. „Wenn du dein Kind als alleinerziehender Vater nicht mit Knorrtüten vergiften willst, dann musst du eben kochen lernen. Außerdem hab ich früher bei meiner Mutter in die Töpfe geguckt. Ich war ein Naturtalent. Schon mit fünf war meine Erbsensuppe in der ganzen Nachbarschaft berühmt.“ Leonie stellte sich den kleinen Marius vor, der mit seiner Nasenspitze kaum über den Topfrand ragte, und unwillkürlich musste sie lächeln. „Du warst bestimmt ein niedliches Kind“, sagte sie und stellte die Teller zusammen. „Gibt es eigentlich noch Nachtisch?“ Schwungvoll knallte Marius die große Tür seines ziemlich altersschwachen Kühlschranks zu und wandte sich mit gespielter Empörung um: „Wir haben italienische Vorspeisen gegessen, danach eine Tomatensuppe, danach eine dicke Lammkeule mit allen Schikanen – und jetzt willst du noch Nachtisch? Du bist wirklich unersättlich.“
Leonie lachte. „Stimmt genau“, sagte sie und erhob sich ächzend, während sie diskret den Reißverschluss ihres Rockes wieder hochzog: „Das bin ich, jedenfalls, wenn’s ums Essen geht.“ Die leichte Anzüglichkeit in ihrer Antwort war ihm nicht entgangen, aber er beschloss, nicht darauf einzugehen. Sie sagte öfter Dinge, die ihr einfach so herausrutschten, die sie so wörtlich gar nicht meinte, und da er die Freundschaft mit ihr auf keinen Fall gefährden wollte, nahm er ihr den Tellerstapel aus der Hand und stellte ihn in die Geschirrspülmaschine. „Also“, sie beugte sich über ihn, er spürte ihren heißen Atem, der ganz leicht nach Knoblauch duftete, „was bereitest du Leckeres vor, während ich nachschaue, ob unsere Kinder schlafen? Ich brauche noch etwas Süßes, total Ungesundes.“
Da es bereits 21 Uhr war und sie das gemütliche Essen entspannt ausklingen lassen wollten, durfte Luna ausnahmsweise bei ihrem Freund Malte übernachten. Die beiden Kinder hatten bis vor einer Stunde wild herumgetobt, bis Marius mit einem Donnerschlag dem Treiben ein Ende machte. „Wenn jetzt nicht in einer Sekunde absolute Ruhe ist, dann verwandele ich mich in einen feurigen Drachen und fress’ euch beide auf.“ Während Malte nur ein verächtliches. „Ach Papa, das kannst du doch gar nicht“, schnaubte, hatte Luna vor Schreck laut aufgeschrien und sich an ihre Mami geklammert, aber die hatte so sehr lachen müssen, dass ihr kleines Köpfchen auf Leonies Brust hin- und hersprang. Jetzt schliefen sie tief und fest, beide in einem Bett, eng aneinandergeschmiegt, begraben unter einem Haufen von Kuscheltieren. „Ist das nicht ein wunderschönes Bild?“, Leonie stand im Türrahmen und genoss diesen innigen Anblick. Dann setzte sie sich ans Bett und streichelte die erhitzten Kinderwangen. Luna murmelte etwas im Schlaf, das wie „mag keine Drachen“ klang und Malte gab ein kleines Schmatzgeräusch von sich.
Leonie lächelte zärtlich und schloss lautlos die Kinderzimmertür hinter sich. Es ging ihr immer gut, wenn sie mit Kindern zusammen war. Kinder waren das Paradies.
Später, als der schreckliche Alptraum passiert war, als ihre Welt in Scherben lag, würde sie oft an diesen letzten, unbeschwerten Abend zurückdenken. Aber jetzt ahnte sie nicht, dass sich in den nächsten Stunden ihr Leben von Grund auf verändern würde. Sie fühlte sich jung und frei und leicht beschwipst. Das Leben war im Augenblick gerade richtig so. Nur die Liebe fehlt, dachte sie flüchtig, aber es gibt Wichtigeres. Es gibt Freundschaft. Und es gibt Kinder. Und gleich hoffentlich ein wunderbares Dessert.
Sie ging in die Küche zurück, wo
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