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Holst, Evelyn

Holst, Evelyn

Titel: Holst, Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Liebesunfall
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dich“, sagte er. „Bis gleich.“
    Leonie schwang sich aufs Rad und fuhr los. Seine Stimme hatte so froh geklungen, so erwartungsvoll. Ob er damit rechnete, dass sie über Nacht blieb? Dass sie mit ihm schlief? Ich darf ihm keine falschen Hoffnungen machen, nahm sie sich fest vor, er ist ein so netter Mann. Ich will ihn unbedingt als Freund behalten und vielleicht sogar als Vaterfigur für Luna. Also würde sie sich nach der Zabaglione sofort von ihm verabschieden. Ohne Abschiedskuss. Höchstens auf die Wange. Es muss klare Fronten geben, dachte Leonie, sonst wird mein Leben unehrlich und unübersichtlich. Und das will ich auf gar keinen Fall.
    Marion und Hendrik fuhren schweigend, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Sie fühlte eine wachsende Unruhe in sich, die nicht gesagten Worte lagen schwer auf ihrem Herzen. Wie sollte sie beginnen? Mit der Wahrheit? Aber was war die Wahrheit? Sie wusste es ja selbst nicht mehr. Hendrik schaute zu ihr herüber. „Du bist so still“, sagte er und sie konnte es kaum ertragen, dass er so liebevoll klang, so besorgt, so völlig ahnungslos. Sie hätte einen Streit gebraucht, eine Explosion, irgendetwas, das endlich Klarheit brachte, die Luft reinigte. Plötzlich hatte sie Lust, eine Zigarette zu rauchen, obwohl sie sich das Rauchen bereits vor einem Jahr abgewöhnt hatte. „Halt mal bitte“, sagte sie, weil sie auf der rechten Straßenseite eine hell erleuchtete Tankstelle entdeckte. „Mein Tank ist noch halbvoll“, wunderte er sich, und als sie sagte: „Ich brauche Zigaretten“, warf er ihr einen erstaunten Blick zu, aber er hielt an. Sie betrat die Tankstelle, in der Tür kam ihr eine junge Frau in einer schwarzen Jacke entgegen, die sie nicht weiter registrierte. „Einmal Marlboro Light“, sagte sie zu dem Mann, der noch immer sein Kreuzworträtsel löste und stumm in den Ständer mit den Zigaretten griff: „Vier Euro“, sagte er. „Wissen Sie ein Gefühl mit fünf Buchstaben?“
    Sie gab ihm das Geld und sagte beim Hinausgehen: „Liebe.“
    Und während sie auf ihr Auto zuging, versprach sie sich: Spätestens nach der dritten Zigarette hab ich alles hinter mir.

7. Kapitel
    Als Leonie auf ihr Rad stieg, stellte sie fest, dass die Flasche zu sperrig war für ihre Jackentasche. Mist, dachte sie, und überlegte kurz, in der Tankstelle um eine Plastiktasche zu bitten, aber dann klemmte sie sie kurz entschlossen unter den Gepäckträger und fuhr los. Marius wartete und sie wollte ihm die Zabaglione nicht verderben. Vorsichtshalber fuhr sie ein Stück auf dem Gehweg, aber ein altes Ehepaar, das seinen Hund Gassi führte, scheuchte sie mit den Worten „Sind Sie denn wahnsinnig geworden?“ wieder auf die Straße zurück. Sie fuhr dicht an den parkenden Autos, es war ein ungemütliches Gefühl, so ohne Licht zu fahren, obwohl die Straße um diese Zeit kaum befahren war. Aber nur noch drei Straßen weiter, dann hatte sie es geschafft. Sie griff zu ihrem Handy, weil sie eine geübte Einhandradlerin war: „In zwei Minuten bin ich da“, lachte sie, wollte das Handy zurückstecken, als sie merkte, wie die Flasche aus dem Gepäckträger zu rutschen drohte. Rückwärts griff sie danach.
    „Hat es einen besonderen Grund, dass du wieder mit dem Rauchen anfängst?“, Hendrik fragte es eher beiläufig, trotzdem war dieser Satz plötzlich der Tropfen, der Marions Fass zum Überlaufen brachte. „Darf ich fragen, was es dich angeht?“, zischte sie ihn an und merkte selbst, dass sie dabei war, die Kontrolle über sich zu verlieren. „Ich begreife nicht, was auf einmal mit dir los ist, Marion?“, Hendrik sah kurz zur Seite, und in diesem Augenblick geschah es. In diesem Augenblick änderte sich alles.
    Plötzlich, ohne Warnung, wie ein Blitz aus heiterem Himmel tauchte vor ihnen ein schwarzer Schatten auf. „Pass auf Hendrik,“ schrie Marion und unwillkürlich griff sie ihm ins Steuer, als der Schatten anfing zu schlingern und zu taumeln – „lass das Lenkrad los,“ schrie Hendrik und als er versuchte, dem Schatten auszuweichen, sah er das Auto auf der Gegenseite nicht – und dann gab es einen lauten Knall, der nicht wieder aufhörte, Blech krachte, Glas zersplitterte, jemand schrie und schrie und schrie ... und dann, bevor das Inferno ausbrach, war einen Augenblick lang eine ohrenbetäubende Stille.
    Es war genau 21.17 Uhr, als Marius zum letzten Mal seine schaumigen Eier rührte und etwas ungeduldig auf die Uhr sah. Wo blieb sie nur? Die Tankstelle war doch

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