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Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Titel: Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred
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offenbar erst vor kurzem angebrachten
    Steckdose ziehen wollen.
    »Wir müssen das Gerät doch mitnehmen«, sagte er ärgerlich. »Und jemand
    muß sich den Inhalt ansehen.«
    »Das muß hier passieren. Er könnte doch so programmiert sein, daß alles
    zusammenbricht, wenn der Strom ausfällt.«
    »Dann mußt du die Fachleute holen«, sagte Billy T. »Ich bleibe hier. Ich gehe
    erst wieder, wenn mir irgendwer was über dieses Gerät erzählen kann.«
    Karl Sommaroy nickte und schaute Hausmeister Karisen an.
    »Und Sie kommen mit mir«, sagte er. »Ich glaube, wir haben einiges zu
    besprechen.«
    Billy T. konnte das wütende Gemurmel des Hausmeisters hören, bis die
    Kellertür geschlossen wurde. Dann setzte er sich auf einen Haufen aus
    Brettern und Steinwolle, lehnte den Rücken an die Wand und schlief ein.
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    Der Mann, den Evald Bromo Kai genannt hatte, war jetzt beim Packen. Er
    hatte einen Anzug, zwei Pullover, vier Hemden und zwei Paar Jeans
    hervorgesucht, ordentlich zusammengefaltet und in einen steifen Koffer
    gelegt. Darauf legte er Unterwäsche und einen Kulturbeutel. Er hatte sich
    vergewissert, daß nichts von alldem seine Identität verraten
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    konnte. Danach nahm er alle persönlichen Gegenstände aus seinen Taschen.
    Die Bilder der Kinder, eine IKEA-Quit-tung, seinen Führerschein und andere
    Ausweiskarten; alles wurde zerschnitten und in eine Plastiktüte gesteckt, die
    er an einem sicheren Ort wegwerfen wollte.
    Dann füllte er seine Brieftasche wieder und steckte den neuen Paß in seine
    Anzugjacke.
    Jetzt hatte er einen anderen Namen.
    Die Verzweiflung, die ihn während der letzten Tage gelähmt hatte, war
    verschwunden. Übrig war nur ein Gefühl von Entschlossenheit; die Sache war
    erledigt, und ihm blieb nichts anderes übrig als die Flucht. Die Vorstellung, die Kinder für immer verlassen zu müssen, hatte er brutal verdrängt, als er die
    Bilder zerschnitten hatte. Er konnte nicht denken. Konnte sich keine Gefühle
    leisten. Er mußte handeln, und das ganz schnell.
    Er wollte nach Kopenhagen fahren. Und von dort ein Flugzeug nehmen, in ein
    weit entferntes Land, wo er Freunde hatte.
    Denn er hatte Freunde.
    Im Laufe dieser vielen Jahre hatte er einige wenige Auserwählte beschützt.
    Niemals, um Nutzen daraus zu ziehen. Und nicht, weil er sich bedroht gefühlt
    hätte. Die einzige Ausnahme war Evald Bromo.
    Er schloß den Koffer, verließ das Haus und legte ihn in den Kofferraum seines
    Autos. Er wollte noch in dieser Nacht aufbrechen. Am liebsten hätte er sich
    sofort hinter das Steuer gesetzt, aber das wäre zu riskant gewesen. Seine Frau
    würde Alarm schlagen, wenn er zwei Stunden nach Dienstschluß noch nicht
    nach Hause gekommen wäre.
    Ein Aufbruch gegen drei Uhr nachts würde ihm einen Vorsprung von vielen
    Stunden sichern. Und viel mehr brauchte er nicht. Er öffnete die Motorhaube,
    entfernte den Verteilerdeckel und legte ihn in ein Regal an der Rück
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    wand der Garage. Er mußte behaupten können, der Wagen springe nicht an.
    Sonst lief er Gefahr, daß seine Frau am Nachmittag damit fahren und dabei
    den Koffer entdecken könnte.
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    Karl Sommaroy gehörte zu den wenigen im großen, grauen Polizeigebäude, die
    einen ehrlichen Versuch gemacht hatten, ihr Büro anheimelnd aussehen zu
    lassen. Er hatte dunkelblaue, von seiner Frau genähte Gardinen aufgehängt,
    auf dem Schreibtisch standen rotgerahmte Fotos seiner Kinder, in den
    Regalen Töpfe mit grünen Pflanzen. An der einen Wand hing ein großes Plakat
    mit einem Bild von Gustav Klimt; an der anderen hatte er hinter einer
    Glasplatte eine Collage aus Kinderzeichnungen angebracht. Karl Sommaroys
    kleinmädchenhafte untere Gesichtshälfte schien nicht nur ein boshafter Scherz
    der Natur zu sein, sondern auch eine feminine Ader in dem ansonsten so
    maskulinen Körper zum Ausdruck zu bringen. Ein Flickenteppich in munteren
    Farben dämpfte die Akustik, und der Kugelschreiberbehälter auf dem
    Schreibtisch paßte zur hellen ledernen Schreibunterlage. Als maskuliner
    Ausgleich zu allem hing an der Wand eine Art Kuckucksuhr. Zu jeder vollen
    Stunde kam ein uniformierter Polizist mit gehobenem Gummiknüppel hervor
    und schrie mit metallischer Stimme: »You're under arrest.«
    »Wissen Sie«, sagte Karl Sommaroy und setzte sich auf seinen ergonomisch
    korrekten Schreibtischsessel. »Mein Großvater war während des Krieges bei
    der Handelsmarine.«
    Ole Monrad Karisen brummte mürrisch etwas vor sich hin und rutschte
    nervös

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