Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5
Fragen beantworten würden. Ich begreife ja, daß Sie
für die Behörden nicht viel übrig haben. Aber Sie sind ein ehrlicher Mann und
haben sich meines Wissens noch nie etwas zuschulden kommen lassen.
Machen Sie weiter so.«
Dann drehte er sich abrupt zum Hausmeister um. »Helfen Sie mir«, sagte er.
»Bitte.« »Seit Februar«, murmelte Karisen. »Februar.« »Hat Stäle gesagt,
warum er den Computer verstecken wollte?« »Nein.«
»Haben Sie ihm bei der Wand geholfen?« »Ja.«
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Ole Monrad Karisen starrte ihn mit trotzigem Blick an. Trotzdem wirkte er
jetzt ein wenig kleinlauter. Er sah eher aus wie ein Greis als wie ein alter
Mann.
»Schön.«
Sommaroy setzte sich wieder.
»Wissen Sie noch mehr über diesen Computer?«
Karisen schüttelte den Kopf.
»Wissen Sie überhaupt mehr? Etwas, das uns verraten kann, warum Stäle sich
umgebracht hat? Sie haben doch viel mit ihm gesprochen, und er muß ja...«
»Das wissen Sie doch schon. Stäle hatte nichts mehr im Leben. Er hatte alles
verloren. Das habe ich Ihnen doch gesagt.«
»Bedeutet das, daß Sie von seinem Selbstmordplan gewußt haben?«
Karlsens Unterlippe bewegte sich. Ein Zittern lief durch sein Gesicht. Seine
unsaubere Rasur konnte darauf hinweisen, daß er nicht mehr gut sah.
»Ich hab nichts gewußt«, sagte er so leise, daß Sommaroy sich zu ihm
vorbeugte. »Bei Ihrem ersten Besuch hab ich gar nichts kapiert. Ich dachte, er
hätte einfach einen kleinen Ausflug gemacht, ohne Bescheid zu sagen. Aber
dann...«
Jetzt zitterten seine Hände, und er fuhr sich mit den Zeigefingern über die
Augen.
»Aber ich hätte es vielleicht kapieren sollen, als er mir das Paket gegeben hat.«
»Das Paket?«
»Er hat mir ein braunes Päckchen mit einer Adresse gegeben. Und
Briefmarken und allem. Ich brauche es bloß in den Briefkasten zu stecken, hat
er gesagt, wenn ihm irgendwas passieren sollte. Ich sollte zwei oder drei
Wochen oder so warten. Nachdem ich ihn zuletzt gesehen hatte, meine ich.
Also fragte ich ihn, ob er verreisen wolle. Das wolle er
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nicht, sagte er, und dann haben wir über was anderes gesprochen. Ich hab
später nicht einmal sofort an das Päckchen gedacht. Erst nach einer ganzen
Weile. Und dann dachte ich, daß das eine Art Abschied gewesen sein muß.
Weil er mir vertraut hat, dieser Stäle.«
Karl Sommaroy starrte die Hände an, die die Tischkante umklammerten. Die
Fingerknöchel waren weiß.
»Haben Sie das Päckchen abgeschickt?«
»Ja, das mußte ich doch.«
»Und für wen war es bestimmt?«
»Mir fällt die Adresse nicht mehr ein. Aber der Name ...«
Ole Monrad Karisen schaute auf und sah den Polizisten an. Ein schmales
braunes Rinnsal sickerte aus seinem Mundwinkel, und eine Träne hatte sich
gleich neben dem einen Nasenloch in den Bartstoppeln festgesetzt.
»Der Name war jedenfalls Evald Bromo. Das hab ich nicht vergessen. Das war
ja der, der ohne Kopf in meinem Keller gelegen hat.«
»You're under arrest«, schrie die Kuckucksuhr, diesmal achtmal.
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Margaret Kleivens Eltern waren längst tot, und andere Angehörige hatte sie
nicht. Es gab zwar eine vier Jahre jüngere Schwester, aber die beiden hatten
einander nie nahe gestanden. Schon als Kinder waren sie sich auffällig
unähnlich gewesen; Margaret verschlossen, gehemmt und vorsichtig, die
Schwester offen und voller Charme. Nachdem die Schwester einen Engländer
geheiratet und nach Manchester gezogen war, schlief nach und nach jeglicher
Kontakt ein. Selbst die Weihnachtskarten, die sie in den ersten Jahren
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pflichtschuldig Ende November losgeschickt hatten, waren seit sechs Jahren
ausgeblieben.
Margaret Kleivens Leben war Evald. Evald und ihre Arbeit als Geschichts- und
Französischlehrerin. Sie wußte, daß ihre Schüler sie nicht besonders liebten.
Dazu war sie wohl zu langweilig und leistungsorientiert. Aber sie war durchaus
nicht unpopulär. Die Jugendlichen wußten auf ihre Weise den traditionellen
Unterricht zu schätzen und erkannten, daß der sich bezahlt machen konnte.
Im vergangenen Jahr hatten zwei die Klasse gewechselt, weil sie lieber bei
Studienrätin Kleiven Französisch lernen wollten. Beide hatten in der Prüfung
beste Noten erhalten. Danach tauchte im Lehrerzimmer ein in orangefarbenes
Zellophanpapier gewickelter kleiner Strauß Wickenblüten auf. Und solche
Erlebnisse erfüllten sie dann mit einer zaghaften Erwartung an das kommende
Schuljahr.
Margaret Kleiven war nicht gerade von großen
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