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Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Titel: Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred
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ich weiß, daß das einzige, was ich in dieser
    Situation machen kann, eben arbeiten ist. Meine Arbeit zu tun, verstehst du?«
    Es hallte zwischen den Wänden wider. Zwei Pakistani, die zehn Meter weiter
    im Flur saßen, drehten sich neugierig um. Ein Krankenpfleger verlangsamte
    sein Tempo und schien anhalten und seine Hilfe anbieten zu wollen. Als er
    Hanne Wilhelmsens Blick sah, schlug er die Augen nieder und ging wieder
    schneller.
    »Glaubst du an Gott, Hanne?«
    »Ha!«
    Sie schlug sich mit einer übertriebenen, höhnischen Geste an die Stirn.
    »Deshalb bist du also gekommen. Ein kleiner Missionstrip nach Ulleväl, um
    Hanne Wilhelmsens verlorene Seele zu retten. Nein. Ich glaube nicht an Gott.
    Und um einen
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    berühmteren Menschen zu zitieren, als ich es bin: Er glaubt auch nicht
    sonderlich an mich.«
    Weil ihr nichts Besseres einfiel, ging sie los. Der Polizeipräsident erhob sich
    langsam und folgte ihr.
    »Du irrst dich«, sagte er halblaut hinter ihrem Rücken. »Das hat mich nur
    interessiert.«
    Sie ging schneller, wußte aber nicht so recht, wohin. Als sie dann am Ende des
    Flurs angekommen war, fuhr sie herum und versuchte, zurückzugehen. Der
    Polizeipräsident trat ihr in den Weg.
    »Ich werde dich nicht länger belästigen. Ich bin zum Reden hergekommen.
    Und um dir zu zeigen, daß du mir wichtig bist. Ich bilde mir ein, vielleicht zu
    Unrecht...«
    Ein verlegenes Lächeln breitete sich in seinem Gesicht aus.
    »Daß ich ein bißchen weiß, wie dir zumute ist. Aber du kennst mich nicht. Dies
    hier war ein Versuch, das zu ändern. Was immer das bringen mag: Ich bin
    ganz Ohr, wenn du deine Meinung änderst. Und auf jeden Fall solltest du mit
    Billy T. sprechen.«
    Hanne Wilhelmsen machte noch einen Versuch, an ihm vorbeizukommen.
    Vergebens.
    »Der Mann liebt dich so sehr, wie es unter Menschen, die nicht verwandt sind,
    nur möglich ist«, sagte Mykland. »Das solltest du dir klarmachen. Und zu
    schätzen wissen. Es vielleicht sogar ausnutzen.«
    Seine Hand berührte ganz leicht ihre Schulter, als er sie gehen ließ. Er blieb
    stehen und blickte ihr nach.
    »Billy T.«, murmelte Hanne Wilhelmsen verächtlich und durchwühlte wütend
    ihre Tasche nach dem miesen Kriminalroman.
    Als sie aufblickte, war der Polizeipräsident verschwunden. Die beiden
    Pakistani hatten Gesellschaft von einem kleinen Kind bekommen. Das Kind
    kletterte auf zwei leeren Betten
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    herum, die an der gegenüberliegenden Wand standen. Hanne Wilhelmsen
    konnte das Gefühl nicht deuten, das in ihr aufstieg, als sie entdeckte, daß er ihr nicht gefolgt war. Es hatte absolut Ähnlichkeit mit Enttäuschung.
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    Die Chefredakteurin von Aftenposten gehörte zu denen, die sich vorbehaltlos über die vielen Möglichkeiten der Technologie freuten. Schon 1984 hatte sie
    sich ihren ersten PC angeschafft; einen angeblich tragbaren Apparat von
    Toshiba. Er war eher transportabel als wirklich tragbar und hatte über
    sechzigtausend Kronen gekostet. Sobald es etwas gegeben hatte, das Internet
    genannt wurde, hatte sie sich damit vernetzen lassen. Sie war so früh dabei
    gewesen, daß es kaum andere gegeben hatte, denen sie E-Mails schicken
    konnte.
    Jetzt bekam sie pro Tag mehr als hundert elektronische Briefe. Immer wieder
    hatte sie versucht, ihre Kontaktleute — und nicht zuletzt ihre Angestellten —
    dazu zu bringen, daß sie wichtige Nachrichten kennzeichneten. Flaggen oder
    Ausrufezeichen, das war ihr egal, aber ihr Arbeitstag wäre um einiges leichter
    gewesen, wenn in dieser Hinsicht mehr Disziplin geherrscht hätte.
    Fast geistesabwesend ging sie die Post des Tages durch. Sie hatte gerade am
    linken Bein eine Laufmasche entdeckt. Die drittoberste Schreibtischschublade,
    in der normalerweise mehrere Reservestrumpfhosen lagen, war leer. Zerstreut
    zupfte sie am Rocksaum und ging rasch die Liste durch, wobei sie die meisten
    Nachrichten nur überflog.
    Eine Meldung ließ sie innehalten. Im Feld »Betreff« stand: »Kümmer dich.«
    Die Mitteilung war kurz: »Sie sollten feststellen, was dem Journalisten Evald
    Bromo fehlt. Er ist in
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    letzter Zeit reichlich außer sich. Als Chefredakteurin sollten Sie ihn fragen, ob er Probleme hat.«
    Sie las den Brief zweimal durch. Dann zuckte sie mit den Schultern und schloß
    die Mailbox, ehe sie auf die Uhr sah. Sie kam zehn Minuten zu spät zu einer
    Besprechung.
    Als sie das Büro verließ, schaute sie an sich herunter und musterte ihre
    Strumpfhose. Der Nagellack hatte die Laufmasche

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