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Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Titel: Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred
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bestand immerhin eine gewisse
    Hoffnung, daß sie an diesem Abend noch einen Besuch schaffen würde.
    »Verstehen Sie«, beharrte die Stimme am Telefon. »Im letzten Jahr bin ich
    angezeigt worden. Das war nur Unsinn, wissen Sie, die haben behauptet, ich
    hätte nicht genug Steuern gezahlt. Und keine ordentliche Buchführung, haben
    sie auch gesagt. Dann hat Halvorsröd mich angerufen. Er könnte mir helfen,
    hat er gesagt. Er wollte sich mit mir treffen. Er wollte mir sagen, was es kosten würde. . . Ordnung im Nähkasten zu schaffen, hat er gesagt. Ich hab das nicht
    richtig begriffen. Meine Frau hat nein gesagt.«
    Karianne Holbecks Interesse war gewaltig gestiegen. Verzweifelt suchte sie
    nach einem Kugelschreiber, konnte aber keinen finden.
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    »Er hat beim Anruf seinen Namen genannt? Hat er sich als Sigurd Halvorsrud
    vorgestellt?«
    »Ja, das hat er gesagt. Er hat nicht gesagt, was er war, nicht Anwalt oder so,
    aber ich habe den Namen aufgeschrieben. Und den Zettel habe ich hier.«
    Karianne Holbeck räusperte sich und riß wütend eine Schublade nach der
    anderen auf, auf der Suche nach einem Schreibgerät. Ohne Erfolg.
    »Ich weiß nicht, ob das die Polizei interessiert, aber ich dachte . . . «
    »Können Sie herkommen?« fiel Holbeck ihm ins Wort. »Ich würde gerne
    ausführlich mit Ihnen sprechen.«
    Sie warf einen Blick auf einen Donald-Duck-Wecker, der vom Schreibtisch zu
    fallen drohte.
    »Um zwei?«
    »Nein, ich bin gerade schrecklich beschäftigt. Montag kann ich kommen.
    Montag um zehn, zum Beispiel. Ich kann kommen und fragen nach. . . «
    »Holbeck«, sagte Karianne überdeutlich, wie zu einem Schwerhörigen. »Ka-ri-
    an-ne Holbeck. Aber warten Sie einen Moment. . . «
    Sie legte den Hörer hin und stürzte ins Vorzimmer.
    »Hallo«, keuchte sie in die Sprechmuschel, als sie mit einem Kugelschreiber
    zurückkam. »Sind Sie noch da?«
    Das war er nicht. Sie hörte nur ein nervtötendes, monotones Besetztzeichen.
    Ihr Zeigefinger drückte wütend auf den Knopf, der das Freizeichen bringen
    sollte. Aber nichts passierte.
    »Scheißausländer«, fauchte sie und knallte den Hörer auf die Gabel.
    Dann riß sie sich zusammen und hoffte bei Gott, daß niemand sie durch die
    offene Flurtür gehört hatte.
    Sie konnte jetzt nur hoffen, daß der Mann am Montag wirklich auftauchen
    würde. Was durchaus nicht feststand.
    80
    Karianne Holbeck hatte längst die Erfahrung gemacht, daß Ausländer zumeist
    unzuverlässig waren. Sie war durchaus keine Rassistin. Alle Menschen waren
    gleich viel wert. Das Problem war nur, daß Türken und Iraner, Pakistani und
    Nordafrikaner, Vietnamesen und Lateinamerikaner eben unzuverlässig waren.
    Montag oder Dienstag, ein oder fünf Uhr; unmöglich zu sagen, ob der Mann
    sich überhaupt wieder melden würde.
    Karianne Holbeck wußte nicht einmal mehr, was der Mann eigentlich für
    einen Laden hatte. Sie glaubte, den Namen des Stadtteils Grünerlokka gehört
    zu haben. Sicher war sie nicht. Aber er war Türke. Als ob das eine Hilfe wäre.
    »So geht es, wenn der Arbeitstag um halb sechs anfängt«, murmelte sie
    ärgerlich und sah ein, daß sie es womöglich vermasselt hatte.
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    Eivind Torsvik fiel plötzlich ein, daß er seine Stimme seit zwei Wochen nicht
    mehr benutzt hatte. Er hatte fast vergessen, wie sie sich anhörte. Er legte sich aufs Sofa und versuchte sich darauf zu konzentrieren, welche Farbe sie hatte.
    Er wußte, daß er jünger klang, als er war. Seine Stimme war klar und
    melodiös, mit einem fremdartigen Unterton, der irrtümlicherweise vermuten
    ließ, daß er kein Norweger war. Ein Lehrer von der Volksschule hatte ihn
    einmal erwischt, als er sich zum Übernachten in die Turnhalle geschlichen
    hatte. Eivind sang alte Eagles-Songs, um seine Angst zu vertreiben. Der Lehrer
    war wie aus dem Nichts aufgetaucht, und Eivind hatte den Verdacht, daß er
    ihm lange zugehört hatte, ehe er dann aus dem Schatten getreten war. Der
    Mann hatte gesagt, Eivind sei sehr musikalisch.
    80
    Eigentlich hatte er wohl freundlich sein wollen. Trotzdem war der Junge
    davongestürzt. Jetzt, da er zurückdachte und sich fragte, wo er dann
    hingegangen war, konnte er sich nicht mehr erinnern. Seither hatte er keinen
    Ton mehr gesungen. Es war unbequem, so zu liegen.
    Er döste in einem ganz besonderen Zustand irgendwo zwischen Schlafen und
    Wachen vor sich hin. Natürlich konnte er einfach etwas sagen. Aber das wäre
    zu einfach. Die Punkte, die vor seinen Augenlidern tanzten,

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