Holunderküsschen (German Edition)
die bei ihm als Sekretärin arbeitet und von der er ihr vers i chert hat te , dass er sie hässlich und blöd finden würde, hat sie ihm nur noch eine Abschieds-E-Mail geschickt. Allerdings hat sie in Zusammenarbeit mit Joe, einem befreundeten Computerh a cker, an diese E-Mail einen Virus angehängt, der alle Kundendaten gelöscht und mit Nummern vom Escort -S ervice ersetzt hat.
„Klick“ sagt Katja bis heute strahlend, wenn sie die se Geschichte erzählt.
Ich seufze leise. Hoffentlich sind wir gleich da. Mir haftet ein leicht säuerlicher Geruch an, der definitiv nichts mit meinem sonst gut riechenden Parfum zu tun hat. Endlich hält das Taxi in Katjas Straße. Sie wohnt in eine r dieser alten Stadtvillen, wovon Normalsterbliche eigentlich nur träumen. Die Räume sind mindestens 3 Meter hoch und die Decken mit alten Stuckornamenten verziert. Wenn das Licht durch die Fenster fällt, schimmert das Holzparkett honigfarben. Und da Katja nicht nur mit Organisationstalent, sondern auch noch mit einem ausgezeichneten G e schmack gesegnet ist, sieht es bei ihr zu Hause aus, als würde man eine Musterwohnung der Zei t schrift Schöner Wohnen betreten. Alles ist in elegantem Weiß gehalten, nur die nötigsten Möbel finden hier ihren Platz. Sie mag es eben minimalistisch. Für meinen Geschmack ist alles fast schon zu stylisch und elegant.
Ich mochte Johanns und meine Wohnung, abgesehen von den Möbeln, die uns Johanns E l tern zu unserem Einzug geschenkt haben. Das waren so dunkle Dinger aus der Gründerzeit, Er b stücke der Familie. Als ich dagegen protestiert habe, meinte Johann nur, dass diese Möbel eine Geschichte erzählen würden. Ich habe stundenlang im Wohnzimmer gesessen und gelauscht – ohne Erfolg. Mir haben die alten Kästen jedenfalls nichts erzählt, also habe ich sie kurzerhand bei eBay versteigert.
Ich liebe eBay!
Da wird man selbst Sachen los, die eigentlich auf den Müll gehören. Und das Faszinierende daran ist – man bekommt häufig mehr für die Dinge, als man neu für sie bezahlt hat! Johann war tagelang sauer, als er nach Hause gekommen ist und statt der ollen alten Kommode von seiner Großtante Wilma ein nagelneues Billy Regal im Wohnzimmer stand. Also, mal ehrlich! Ich habe das ganze Theater, das er gemacht hat, nicht verstanden. Wir leben schließlich im 21 Jahrhundert . Da ist es ja wohl mehr als normal, dass ich mich mit Möbeln aus dieser Zeit umgeben möchte und nicht mit diesen alten Holzwurmbehausungen. Außerdem habe ich bei der Aktion auch noch Gewinn gemacht! Das hätte sein Unternehmerherz doch eigentlich erfreuen müssen.
Ich bezahle den Taxifahrer und steige aus, ohne mir eine Quittung geben zu lassen. Das ist so eine Art nachträgliche Trotzhandlung, denn Johann lässt sich für alles eine Quittung geben.
„Die Dinger lassen sich prima von der Steuer absetzen“, pflegt er dann immer mit einem leichten Vorwurf in der Stimme zu sagen. Fast habe ich ein schlechtes Gewissen – aber eben nur fast. Meine Hand zittert, als ich den Klingelknopf zu Katjas Appartement drücke. Bitte, lass sie da sein! Bitte, lass sie da sein! Ein lautes Knacken und dann ertönt Katjas Stimme.
„Völkers.“
Mich überkommt eine Mischung aus Freude und Traurigkeit. Statt zu antworten schluchze ich.
„Julia ... Pumbi bist du das?“ Ihre Stimme klingt ungläubig, ja, fast entsetzt. Pumbi ist mein Spitzname, der mir seit der dritten Klasse anhaftet. Zu dieser Zeit war ich pummelig und mein damaliges Lieblingskuscheltier war Pumba, das witzige Warzenschwein aus „König der Löwen“. Er und ich – das war Liebe auf den ersten Blick. Pumba hat all die Jahre mit mir das Bett geteilt, bis Johann mich vor die Alternative gestellt hat – er oder Pumba. Also musste Pumba gehen und fristet seitdem sein Dasein im Schrank. Nur gelegentlich, wenn Johann nicht da ist, darf Pumba neben mir auf dem Kopfkissen liegen. Wie es Pumba jetzt wohl ohne mich geht?
„Ja“, nickte ich der Fernsprechanlage zu.
„Sag mal, hast du einen Hackenschuss?! Ich versuche dich seit Stunden über das Handy zu erreichen.“ Ich schluchze zur Antwort. Sofort ertönt der Summer und ich drücke beherzt die Tür auf. Auf dem Weg nach oben steigert sich mein anfängliches Schluchzen in Hysterie. Ich muss aufpassen nicht zu fallen vor lauter Tränen, die mir den Blick verschleiern.
Als ich oben ankomme, wartet Katja bereits auf mich. Sie hat ihre Haare zu einem Pferd e schwanz zusammengebunden. Nein, nicht einen dieser
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