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Holunderküsschen (German Edition)

Holunderküsschen (German Edition)

Titel: Holunderküsschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Gercke
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„Ich brauche eine Pause, ve r stehst du? Ich brauche Abstand. Ich möchte auf meinen eigenen Beinen stehen.“
    „Wenn du das jetzt tust, sehe ich nicht, wie du im Mai heiraten willst.“ Sie klingt böse. „Aus und vorbei mit der Traumhochzeit.“
    „Jetzt lass sie doch“, brummelt mein Vater im Hintergrund. Der gute Papa!
    „Ich soll sie lassen?“ Die Stimme meiner Mutter scheppert schrill durchs Telefon. „Une r hört! Da tut man alles für sein Kind und was ist der Dank dafür? Ich soll sie lassen.“
    „Mama“, versuche ich sie zu beschwichtigen, „das hat nichts mit dir zu tun. Hier geht es um mich.“
    „Schätzchen, sag mal ... hattest du vielleicht einen Nervenzusammenbruch?“
    „Ich habe doch nicht gleich einen Nervenzusammenbruch, nur weil ich auf meinen eigenen Beinen stehen möchte und nicht bei meinem Ex-Verlobten angekrochen komme, der, ganz n e benbei bemerkt, mich mit seiner Chefredakteurin betrogen hat.“ Ich bin verärgert.
    Für einen kurzen Moment herrscht Schweigen am anderen Ende der Leitung.
    „Männer sind nun mal so. Wir Frauen sind in solchen Dingen eben anders.“
    „Sag mal, auf welcher Seite stehst du eigentlich? Johann ist an der ganzen Sache schuld. Er betrügt mich und ich soll auf ihn Rücksicht nehmen?!“ Ich verdrehe die Augen.
    „Findest du nicht, dass du etwas übertreibst?“
    „Waaas?“ Ich kann es nicht fassen. Meine eigene Mutter fällt mir in den Rücken.
    „Jetzt hör mir mal zu. Ich verlange doch nur, dass du Johann anrufst und dich für dein u n gebührendes Verhalten entschuldigst. Man rennt nicht einfach weg zu seiner besten Freundin, nur weil es mal nicht so läuft.“ Ihre Stimme klingt stählern.
    „Nein.“ Ich klappe mein Handy zu. Ich könnte heulen. Heulen. Mein Gesicht glüht und das Herz klopft mir bis zum Hals. Das Handy fängt zornig an zu vibrieren. Nein, ich werde nicht ra n gehen. Soll sie ruhig schmoren. Eltern sollen für ihre Kinder da sein, sie unterstützen und fördern. Das kann man in jedem Buch über Erziehung nachlesen! Und sich nicht heimlich hinter dem R ü cken der Tochter mit deren Ex-Verlobten verbünden. Ich sehe förmlich mein Hartmännchen vor mir, wie er zusammen mit meiner Mutter einen Schlachtplan zur Julia-Zurück-Eroberung entw i ckelt. Bei der Vorstellung bekomme ich sofort Magenblubbern. Einerseits ist es ja recht schme i chelhaft, wenn sich der Ex bemüht. Anderseits, wenn er es nur auf Drängen der hysterischen Schwiegermutter tut, ist das schon irgendwie ein Armutszeugnis. Plötzlich komme ich mir vor wie eine alte Jungfer, die dabei ist, ihre letzte Chance noch unter die Haube zu kommen zu ve r passen. Dabei bin ich doch erst neunundzwanzig! Das ganze Leben liegt noch vor mir.
    Nachdenklich betrachte ich meine Hände. Ist das etwa ein Altersfleck auf meinem Handr ü cken? Hektisch rubble ich mit dem Finger über die kleine braune Stelle. Als ich fertig damit bin, ist mein Handrücken feuerrot und der kleine braune Fleck ist noch immer da. Ich stehe auf und gehe zum Spiegel. Ergebnis meiner Untersuchungen zum Thema vorzeitiges Altern: Bis auf ein i ge wenige Lachfältchen habe ich eigentlich noch keine nennenswerten Falten. Wobei? Ich nähere mich mit meinem Gesicht dem Spiegel. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass mein rechtes Auge von mehr Falten umgeben ist als das Linke. Wie kann das sein? Gestern sahen beide Augen noch gleich aus! Oh Gott – ich bin über Nacht gealtert!
    „Was ist denn hier los?“ Katja steht im Türrahmen und sieht mich mit großen Augen an. „Wie ist es gelaufen? Hast du geweint? Hast du eine Absage bekommen?“
    Ich schüttele den Kopf. „Nein, ich habe nur gerade mit meiner Mutter telefoniert.“
    „Ach so.“ Sichtlich erleichtert lässt sich Katja auf mein Bett fallen. „Ich wette, sie hat ve r sucht dich davon zu überzeugen, dass du dich wieder bei Johann einschleimen sollst.“
    Manchmal ist mir Katja mit ihren Fähigkeiten im Gedankenlesen echt unheimlich. „Woher weißt du das?“
    Katja zuckt mit den Achseln. „Sieht Hannelore mit ihrem Standesdünkel einfach ähnlich.“ Sie kichert. „Deswegen habe ich meinen Eltern erzählt, dass Sergej ein mittelloser russischer Student ist, der in Hamburg ein Stipendium bekommen hat.“ Sie sieht mich zufrieden lächelnd an. „Solltest du auch das nächste Mal tun, dann lassen sie dich wenigstens in Ruhe. Seitdem ist ihre größte Sorge, dass ich schwanger werden könnte. Aber jetzt mal was ganz anderes. Wie war dein Tag

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