Holunderküsschen (German Edition)
denke an Benni, der bestimmt schon selig schläft und sich im Gegensatz zu mir keine Gedanken über die ganze Situation macht. Wie Benni wohl aussieht wenn er schläft? Ich stelle mir die langen, seidigen Wimpern vor , hinter denen sich seine braunen Augen verbergen, den energisch geschwungenen Mund und seinen sportlich g e formten Körper. Ob er wohl nackt schläft?
Johann schläft niemals ohne einen Pyjama . Dazu hat er immer viel zu viel Angst, sich im Schlaf zu erkälten. Seine Sorge ging sogar so weit, dass wir uns letztes Jahr im Winter Wärmed e cken gekauft haben. Mit Johann hatte der Alltag Einzug in mein Leben gefunden. »Alltag«, das klingt in den Ohren der meisten Menschen langweilig und spießig. Ich hingegen empfinde den Alltag als etwas Angenehmes . Es gibt mir Sicherheit. Ich mag keine Überraschungen. Das ist wie bei einem Liebesfilm, dessen Ende man schon in den ersten Minuten beim Aufeinandertreffen der beiden Hauptdarsteller erahnt. Da kann ich mich richtig entspannen . Denn ich weiß, alles wird gut.
Ich hasse Filme, in denen der arme ahnungslose Zuschauer in die Irre geleitet wird, mit dem festen Glauben, dass sich die Liebenden finden . Nur um in den letzten Minuten zu erfahren, dass die weibliche Hauptfigur an Leukämie stirbt und der Typ sich innerhalb kürzester Zeit mit einer neuen aufregenden Blondine tröstet. Ätzend. Nein, ich bin ein Gewohnheitstier. Ich mag Alltag. Ich bin gerne in gewissem Maße spießig. Johann war mein Alltag. Mit ihm haben gemü t liche Abende zu zweit bei einem ein gepflegtes Glas Wein und einem guten Film aus der Vide o thek , in Jogginghosen und Hüttenschuhe gekleidet, Einzug in mein Leben gehalten. Ich kann mit Stolz behaupten, dass ich seitdem keine Folge des Tatorts verpasst habe . O bwohl Krimis , speziell deutsche Krimis , eigentlich nicht zu meiner bevorzugten Art von Unterhaltung zählen und ich Rosamund e - Pilcher - Verfilmungen vorziehe. Aber was macht man nicht alles, wenn man verliebt ist!?
7. Julias Facebook Status: Meetings sind völlig überbewertet.
Am Morgen werde ich durch das Handy geweckt. „Sie haben eine neue Nachricht.“ Fa s sungslos starre ich auf das Display.
Ruf mich an. Wir müssen reden.
MfG. Johann.
Erster Gedanke: Scheiße!
Zweiter Gedanke: Warum ruft der Mistkerl nicht an, wenn es so wichtig ist?
Dritter Gedanke: Was heißt hier – Wir müssen reden ?
Ich will aber nicht mit Johann reden ! D avon mal abgesehen, dass man mit Johann nicht reden kann, selbst wenn man es will. Johann drückt sich meist in einfachen Sätzen aus und vermeidet Adjektive, die irgend einen Hinweis auf seine Gefühle geben könnten.
Wenn ich genauer darüber nachdenke, finde ich, dass Männer fast immer in Rätseln spr e chen, wenn es um ihre Gefühle geht. Ich kenne keinen Mann, der seine Gefühle wirklich in Wo r te fassen kann. Das erklärt, warum die wenigen, die dazu fähig sind, entweder Schriftsteller, M u siker oder Dichter sind und sofort berühmt werden. Dabei hätten sie nur eine Frau fragen müssen . D ie hätte ihnen sofort das Gleiche sagen können, ohne lange darüber nachdenken zu müssen.
„Mit freundlichen Grüßen!“ Hat der Typ jetzt die Vollmeise? Das klingt ja so, als wäre ich eine Geschäftsfreundin und nicht seine Freundin ... äh Verlobte ... Ex-Verlobte! Ich schnappe mir das Handy und tippe Katjas Nummer.
„Völkers.“
„Katja, eben hat mir Johann eine Nachricht geschickt.“
„Und was will er?“
„Mit mir reden. Ich weiß nicht, was ich machen soll.“ Einen kurzen Moment lang herrscht Schweigen zwischen uns. Irgendwas raschelt im Hintergrund.
„Ich kann dir sagen warum er dich sprechen will“, verkündet Katja schließlich mit triu m phierender Stimme. „Wie ich es gesagt habe . Heute ist der Dreißigste des Monats. Der feine Herr hat seine Kreditkartenabrechnung bekommen.“
Mein Magen zieht sich unwillkürlich zusammen und mein schlechtes Gewissen ist sofort wieder da.
„Du darfst ihm auf keinen Fall antworten. Hörst du, Pumbi?! Lass Johann ruhig zappeln. Der Kerl hat es verdient! Du, ich muss jetzt Schluss machen. Ich habe gleich ein monstermäßig wichtiges Meeting und muss noch ein paar Unterlagen kopieren.“ Sie kichert. „Sergej ist auch mit dabei.“
„Du hast vielleicht Nerven. Weiß dein Chef eigentlich, dass du mit Sergej zusammen bist?“
„Iwo, der Typ hat keine Ahnung und so soll es auch bleiben. Wenn der wüsste, dass Sergej und ich miteinander schlafen, würde er
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