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Holunderküsschen (German Edition)

Holunderküsschen (German Edition)

Titel: Holunderküsschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Gercke
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sage ich immer noch geschockt.
    Der Mann fährt mit seiner PowerPoint-Präsentation fort und erzählt irgendwas über Mark t anteile. Alle hören aufmerksam zu und ich frage mich, ob ich die Einzige bin, die keine Ahnung von dem hat, was der Kerl da erzählt. Selbst Blondi neben mir nickt wohlgefällig am Ende jeden Satzes.
    „Das hier sind die Verkaufszahlen der vergangenen sechs Monate.“ Der Mann an der Tafel deutet auf eine Linie, die stetig abfällt. „Wenn die Zahlen in diesem Tempo weiter fallen, müssen wir den Laden bis Ende des Jahres dicht machen.“
    Waaas? Ich presse mir die Hand vor den Mund, um nicht laut aufzuschreien. Ich bin gerade mal eine Woche hier, das können die nicht mit mir machen! Der Rest der Anwesenden macht betroffene Gesichter, nur das von Elisabeth Hirsekorn zeigt keinerlei Regung.
    „Was schlagen Sie vor, wie wir weiter vorgehen sollen?“, fragt Elisabeth Hirsekorn mit e r staunlich kräftiger Stimme für so ein kleines Persönchen.
    „Ich schlage vor, dass wir uns zusammensetzen und ein Programm von Sparmaßnahmen entwickeln, das die Kosten zunächst senkt und den Vertrieb auf Dauer ankurbeln wird“, erklärt der Referent abschließend.
    „Totaler Quatsch!“ Oh Gott! War ich das, die das eben gesagt hat?
    „Frau Löhmer!“ Die raue Stimme von Elisabeth Hirsekorn hallt durch den Raum.
    Es war ich! Benommen sehe ich hoch.
    „Frau Löhmer bitte lassen Sie uns alle an Ihrer Meinung teilhaben“, fordert mich die Eise r ne Lady erneut auf.
    Schluck! Mir wird heiß und kalt. Die Brille kitzelt auf der Nase. Warum habe ich das olle Ding nur aufgesetzt! Alle Augenpaare sind zum zweiten Mal in den vergangenen fünfzehn Min u ten auf mich gerichtet. Inklusive das von Benni, was mir überhaupt nicht gefällt. Was habe ich ihm alles über mein Können in Marketing erzählt? Mein Gehirn spult hektisch zurück. Was habe ich gesagt?
    „... ich besitze genau ein Buch zum Thema »Marketing« und davon habe ich nur den Kla p pentext gelesen . A ber ich finde es macht sich einfach gut im Bücherregal . “
    „Tja, äh“, stammele ich. Blondi neben mir kichert hysterisch. Ich streiche meine Haare aus dem Gesicht, atme tief durch und fange an.
    „Also, ich habe mir vorhin mal die Holiday Dream genauer angesehen ...“
    „Wie außergewöhnlich“, raunt einer der Anzugträger dazwischen. Ein kleiner braunhaariger Mann der Marke Wadenbeißer.
    Ich ignoriere die Bemerkung und mache weiter. „Und dabei ist mir etwas aufgefallen.“
    „Da dürfen wir aber gespannt sein!“ Wieder der Typ im Anzug. Wo kommen die auf einmal alle her? Der Bürohengst lacht und einige der Umsitzenden lachen mit. Ich spüre, wie mich der Mut verlässt.
    „Liebe Kollegen“, höre ich Bennis weiche Stimme. „Finden Sie es nicht ein bisschen unfair Ihr Urteil schon im Vorfeld zu fällen, bevor Frau Löhmer richtig zu Wort gekommen ist?“ Die Lacher verstummen und ich werfe Benni einen dankbaren Blick zu, den er mit einem Kopfnicken quittiert. Schimmern seine Haare heute noch mehr als sonst?
    Ich hole erneut tief Luft, schiebe meine Brille mit dem Zeigefinger hoch und sehe mit en t schlossenem Blick in die Runde, so wie es Frau Schultheiß, meine Mathelehrerin, immer getan hat, wenn sie Aufmerksamkeit bekommen wollte. Diesmal unterbricht mich niemand .
    „Pardon, aber die Holiday Dream ist mit ihrem Konzept in meinen Augen völlig veraltet und spricht somit nur einen ganz kleinen Kreis aus der großen Masse der potentiellen Kunden an. Mittlerweile kann und will sich jeder einen Urlaub leisten. Jedes Jahr stürzen sich Millionen re i sewütiger Deutsche aller Altersgruppen in den Urlaub. Um das richtige Reiseziel zu finden, nu t zen sie das Internet, Reisebüros und Zeitschriften. Holiday Dream gehört mit Sicherheit nicht dazu. Die ganze Aufmachung und auch das Hochglanzformat schreien förmlich nach überteue r ten Preisen und signalisieren dem Durchschnittsbürger eher die Finger davon zu lassen, da er sich die darin angebotenen Reiseziele eh nicht leisten kann. Das heißt nicht, dass wir keine Urlaub s träume vermitteln sollen – aber es sollten solche sein, die wir, also Sie und ich, uns auch leisten können. Nur dann werden wir die erhoffte Kundengruppe mit unserer Zeitschrift erreichen!“
    Schweigen.
    War das gerade ich, die das gesagt hat?! Das stimmt doch gar nicht! Ich will in die teuren Ressorts . Ich will wie P.Diddy oder Paris Hilton reisen und darüber berichten! Ich will die neue Reporterin der

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