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Holunderküsschen (German Edition)

Holunderküsschen (German Edition)

Titel: Holunderküsschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Gercke
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    Bei Chris herrscht das totale Chaos. Der Boden ist mit Klamotten übersät.
    „Man könnte meinen, du hast keine Schränke.“ Ich steige über einen Kleiderhaufen hi n weg, um zum Atelier zu gelangen.
    „Weißt du, ich beschäftige mich lieber mit den wichtigen Dingen des Lebens“, lautet die künstlergerechte Antwort. Chris grinst dämlich.
    „Schon klar“, murmele ich und folge Chris in sein Atelier.
    Äußerlich hat sich Chris seit unserer letzten Begegnung bei Penny kaum verändert. Vie l leicht hat er ein paar Falten mehr, ansonsten ist er noch immer ganz der Alte. Wie befürchtet, trägt er eine seiner berühmt-berüchtigten weißen Leinenhosen und dazu eine Art Tunika. Gott sei Dank! Die Tunika reicht ihm bis zu den Knien und bedeckt somit sein baumelndes Gemächt. Benni grinst mir zu, als er meinen Blick auffängt. Ich grinse zurück. Wir s ind wie zwei Ve r schworene, die sich auch ohne Worte verstehen.
    Das Atelier sieht genau so aus, wie ich es mir vorgestellt habe. Überall Farben, Papier, Pi n sel und Gläser voll mit Sand soweit das Auge reicht. Auf dem Boden liegt eine große Leinwand ausgebreitet, auf der, mit gekonnten Strichen, eine Art Landschaft gemalt ist. Ein Spiel aus Licht und Schatten, das noch nicht fertig zu sein scheint.
    „Sind das die Bilder, über die wir gesprochen haben?“ Benni bringt sich in Position und fängt an zu fotografieren. Ich stelle mir vor wie er laut ruft: „Yeah Baby yeah ... gut machst du das! ... Z eig es mir!“ Ich kann ein Kichern gerade noch in letzter Minute unterdrücken. In Geda n ken sehe ich Katjas strengen Blick vor mir. Also reiße ich mich zusammen und denke an Vox Tours . Judith würde sicher nicht kichernd losprusten.
    „Das habe ich von meiner letzten Reise in die Wüste Thar mitgebracht.“ Chris präsentiert stolz die unzähligen Gefäße, die ungeordnet neben der Leinwand aufgebaut am Boden stehen. Große und kleine Flaschen gefüllt mit Sand in allen Schattierungen. Wie umständlich! Für das bisschen Sand durch halb Afrika zu reisen!
    „Hättest du nicht auch einfach Sand von der Ostsee nehmen können?“, platzt es aus mir he r aus. „Ich meine, das wäre doch deutlich einfacher.“ Mal ehrlich, wer kann schon den Unterschied zwischen Wüstensand und Ostseesand erkennen? Für einen Moment herrscht eine bedrückende Stille. Vielleicht hätte ich doch besser meinen Mund halten sollen?!
    Chris starrt mich mit offenem Mund an. Kein schöner Anblick. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der mit offenem Mund gut aussieht. Man wirkt immer leicht debil. Seit ich einmal während eines Rückfluges von Griechenland nach Deutschland eingeschlafen bin und Katja mich dabei fotografiert hat, wie ich mit offenem Mund an der Schulter eines mir unbekan n ten Sitznachbarn eingeschlafen bin, habe ich in dieser Beziehung echt einen Schaden weg. Sie hat sich auch nicht gescheut mir zu berichten, dass mir ein Speichelfaden aus dem Mundwinkel hing und sich eine feuchte Stelle auf dem Shirt jenes Sitznachbarn gebildet hatte. Brrr.... Bei dem G e danken an dieses Foto bekomme ich heute noch Herpes in der Größe eines Blumenkohls.
    Chris fängt an zu lachen. „Das ist mal wieder typisch unser Moptodel. Kein Mensch würde mir eine solche Frage stellen – keiner, außer dir.“ Er wischt sich über die Augen. Benni beugt sich dicht zu mir und flüstert.
    „Moptodel?!“ 
    „Äh ja ...“ Mir bleibt heute wirklich nichts erspart. »Moptodel« ist mein Spitzname aus der Schulzeit. So eine Mischung aus Trottel, Model und Top. Ich glaube es war Birtes Idee. Ein Grund mehr sie bis heute zu hassen. Ich seufze. „Blöder Spitzname. Einfach nicht drüber reden . “
    Er nickt. Da ist es wieder, dieses freche Grinsen auf seinem Gesicht. Er lacht mich aus. Ich weiß es. Ich werfe ihm einen strafenden Blick zu und wende mich wieder an Chris.
    „Natürlich könnte ich einfach Sand von der Ostsee nehmen, aber wer würde dann schon meine Bilder kaufen? Wenn j emand Kunst kauft, möchte er etwas Besonderes, etwas Einzigart i ges besitzen. Das Bild soll eine Geschichte erzählen oder Gefühle auslösen. Was würde ein Bild mit Ostseesand wohl bei dir für Gefühle oder Erinnerungen auslösen?“
    Ich grinse. „Strandkörbe, kaltes Wasser, dicke Menschen und der Geruch nach Sonnencr e me. Ach ja, und Langeweile.“ Die Kamera klickt. Benni hat sich unauffällig zwischen uns aufg e baut.
    Chris nickt. „Genau. Und was löst die Wüste bei dir

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