Holunderküsschen (German Edition)
Samstags?
„Von wann ist die Sendung?" Ich suche nach der Programmzeitschrift.
„Von heute Abend", beantwortet Katja meine Frage und deutet auf das Zeichen in der rec h ten Bildschirmecke. Live!!!
Ich werfe einen kurzen Blick auf die Uhr. Kurz nach Zehn!
„ Wie ernst dürfen wir diese Gerüchte nehmen und wenn ja, was führt Sie zu diesem En t schluss?“ Sie richtet das Mikrofon auf Elisabeth Hirsekorn. Benni sieht dabei mit ernster Miene in die Kamera. Seine Augen schimmern im Studiolicht.
Mein Gott, ich will ihn auf der Stelle küssen. Aber warum hat er mir nicht erzählt, dass er einer Pressekonferenz mit der Hirsekorn beiwohnen muss? Komisch!? Oder besser – Mal wieder typisch Mann: A lle wichtigen Dinge behalten sie für sich.
„Wie Sie wissen, habe ich den Verlag in den Siebzigern aus dem Nichts zu einem der e r folgreichsten Verlagsgruppen Deutschlands aufgebaut."
Die Moderatorin nickt zustimmend. Das Klicken von Kameras ist zu hören, Blitzlichter flammen auf.
„Wir haben unseren Erfolg auf eine ehrliche, solide Berichterstattung aufgebaut. Unsere Zeitschriften spiegeln das Interesse unserer Leser wieder.“ Sie holt tief Luft. „Ich gebe es zwar ungern zu, in dieser Hinsicht unterscheide ich mich nicht von anderen Frauen, aber ich bin mit t lerweile über sechzig. Ich glaube zwar, dass ich für mein Alter noch immer eine moderne Frau bin“ , d ie Moderatorin nickt zustimmend, „aber irgendwann ist es an der Zeit seinen Platz an die jüngere Generation abzugeben.“ Elisabeth Hirsekorn macht eine bedeutungsvolle Pause, wie ein Magier kurz bevor er das Kaninchen aus dem Hut zaubert.
„Und dieser Moment ist nun gekommen?“, fragt die Moderatorin.
Elisabeth Hirsekorn nickt huldvoll. Sie winkt Benni und das blonde Model zu sich. Ich halte gespannt die Luft an.
„Darf ich ihnen vorstellen: Benjamin und Arianne Wagner...“
„Was ... mein Traummann ist verheiratet!?“ Ich schreie. „Der Schuft!" In meinem Kopf dreht sich alles.
„... meine beiden Kinder aus meiner ersten und einzigen Ehe.“ Im Hintergrund sind einige Lacher zu hören. Ich hingegen bin zur Eissäule erstarrt.
Benni ...
... mein Benni ist der Sohn von Elisabeth Hirsekorn.
Mir klappt die Kinnlade runter, während ich wie gebannt auf den Bildschirm des Fernsehers starre.
„Äh ...“ Die Moderatorin wirkt verstört. „Ihre Kinder?“ Okay, anscheinend bin ich nicht die Einzige, die nicht weiß, was hier vorgeht.
Elisabeth Hirsekorn lacht. „Meine Kinder! Wobei das Wort »Kinder« in Anbetracht dieser mittlerweile auf eigenen Füßen stehenden Erwachsenen ein bisschen fehl am Platz ist. Aber ja, meine Kinder Benjamin und Arianne .“ Sie umfasst die Taille von beiden und demonstriert so ihre Familienzugehörigkeit vor der gesamten Nation. „Ich habe es immer vorgezogen, die Identität und damit die Privatsphäre meiner Familie auch wirklich privat zu halten. Aber nun ist der Zei t punkt gekommen, wo die Beiden selbst für sich sprechen können."
Oh, Mann! Und ich habe gedacht, Benni hätte ein Verhältnis mit der Hirsekorn. Plötzlich komme ich mir vor wie der größte Trottel. Wie konnte ich nur so daneben liegen?! Jetzt, wo die drei nebeneinander stehen, ist die Familienähnlichkeit nur allzu offensichtlich. Die gleichen A u gen, die gerade Nase. Ja, sogar der Mund ist ähnlich. Was bin ich nur für ein e Idiot in ! Katja scheint das Gleiche gedacht zu haben, denn sie wirft mir einen Mensch-Pumbi-du-Depp-Blick zu.
„Verstehe ich Sie falsch , wenn ich behaupte, dass Ihre Kinder in Zukunft das Unternehmen leiten werden?“, fragt die Moderatorin reißerisch.
„Keineswegs, genau das ist der Plan", bestätigt Elisabeth Hirsekorn mit sichtlich zufriedener Miene. Benni sieht irgendwie überhaupt nicht glücklich aus . Seine Schwester hingegen blickt , ganz die Geschäftsfrau, offen in die Kameras .
Ich lasse mich zurück aufs Sofa fallen. Mein Prinz, der zukünftige Verlagschef! Warum hat er mir nicht davon erzählt?
„Wusstest du davon?" Katja sieht erstaunt zu mir.
Ich schlucke. „Ich bin genauso von den Socken wie du."
„Aber das ist doch klasse", jubelt Katja. „Freu dich doch! Benni sieht nicht nur nett aus, sondern verfügt auch noch über das nötige Kleingeld. Besser hätte es doch gar nicht kommen können. Mit Verlagschefs kennst du dich doch allmählich aus. Du hast vielleicht ein Glück!"
Ich fühle mich gar nicht glücklich. Das ist genau das, wovor ich weggelaufen bin. Mir dreht sich der
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