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Holunderliebe

Holunderliebe

Titel: Holunderliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Tempel
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urteilte Bertrada. »Aber es scheint mir eine gute Idee, dass du seine Arbeit fortführst. Es könnte allen zum Wohl gereichen, wenn sich wenigstens einer um die Heilkräuter kümmert …«
    Vor ihren Augen tauchten die ersten Häuser der Klosterstadt auf. »Was denkst du?«, fragte Thegan, den mit einem Mal wieder die Angst befiel. »Wird Hemma es wirklich so schwer haben, wie Routger es vorhersieht?«
    »Das weiß man nie vor einer Geburt«, erklärte die Hebamme. »Ich habe schon erlebt, dass zierliche Frauen ohne Schwierigkeiten große Kinder auf die Welt bringen. Dass kräftige Frauen, die sechs Kindern das Leben geschenkt haben, beim siebten Kind elendig verrecken. Man kann es vorher nicht wissen. Das Wunder des Lebens bahnt sich seinen Weg, und ich kann nur ein wenig dabei helfen.«
    Während sie die letzten Meter zu Routgers Haus zurücklegten, erklang vom Kloster her die Glocke zu den Vigilien. Die dunkelste Zeit der Nacht brach an.

20.
    Nahe erhebt sich ein Kraut, Ambrosia, wie es
gewöhnlich heißet. Man lobt es zwar sehr; aber manche bezweifeln doch, ob es jene Ambrosia sei, die die
Bücher der Alten so häufig nennen. Sicher verwenden
in ihrem Berufe die Ärzte es als Arznei: Es entzieht,
als Mittel getrunken, dem Körper so viel Blut, wie es Säfte ihm heilsam wiederum zuführt.
    S ie fanden Hemma am Küchentisch, wo sie sich gelassen mit einer Stickerei beschäftigte. Als sie Bertrada sah, wagte sie ein kleines Lächeln. »Die Schmerzen kommen regelmäßig, aber noch kann ich sie ertragen – da wollte ich mich nicht ins Bett legen.«
    »Das ist eine gute Entscheidung«, meinte die Hebamme. »Noch besser wäre es herumzulaufen. Gehe einfach um den Tisch, zähle die Runden, wenn es dir hilft. So wird sich dein Kind tiefer senken und dir die Geburt leichter machen.«
    Gehorsam stand Hemma auf und machte sich auf ihren Rundweg. Nebenher stellte Bertrada heißes Wasser auf dem Herd bereit, sie legte reine Tücher neben das Bett und holte schließlich Kräuter, die sie in einer flachen, metallenen Schüssel verbrannte. »Die Dämpfe vertreiben die bösen Geister und reinigen die Luft. Darüber hinaus sind es Kräuter, die seit jeher dafür bekannt sind, die Geburt zu erleichtern«, erklärte sie dabei.
    Ganz allmählich musste Hemma öfter innehalten, weil die Schmerzen es ihr nicht mehr ermöglichten weiterzugehen. Und als es schließlich heller Vormittag war, ging sie freiwillig zur Bettstatt und legte sich hin. »Ich kann nicht mehr laufen, und ich kann nicht mehr stehen«, sagte sie mit fester Stimme. »Dann lege ich mich eben hin.«
    Die Glocken, die zur Feier der Geburt von Gottes Sohn erklangen, schallten bis zu ihnen herüber. Die ganze Stadt war in der großen Kirche und betete – so wie sie es auch in diesem Haus taten. Wenn auch nicht für Gottes Sohn, sondern nur für ein kleines Kind.
    Bertrada untersuchte Hemma immer wieder und schüttelte unzufrieden den Kopf. »Es sollte schon viel weiter sein. Das Ganze geht mir zu langsam.«
    Der Nachmittag ging allmählich in die Abenddämmerung über. Als Bertrada hinter dem Vorhang hervortrat, der das Bett vom Rest des Zimmers abtrennte, erkannte Thegan sofort in ihrem Gesicht, dass diese Geburt nicht so lief, wie er es sich erhofft hatte. Er lief auf sie zu.
    »Was ist?« Er sah ihr drängend in die Augen. »Bitte sag mir, dass es nichts Schlimmes ist!«
    Sie schüttelte den Kopf. »Es sieht nicht gut aus. Die Geburt geht nicht recht vorwärts, und Hemma fängt an, Blut zu verlieren.«
    »Aber es geht ihr doch gut?«
    Bertrada deutete auf den Vorhang hinter sich. »Hemma ist sehr tapfer, und sie möchte euch wohl keine Angst einjagen. Aber du kannst zu ihr gehen. Sie ist bei klarem Verstand und weiß, wie es um sie steht …«
    Augenblicke später kniete Thegan vor dem Bett seiner Hemma. Sie sah blass aus und hielt zwischen den Wehen die Augen geschlossen, um neue Kraft zu sammeln. Ihre Haut war schon immer sehr hell gewesen, aber jetzt leuchteten an der Schläfe die blauen Adern durch die Haut, als wäre sie durchsichtig. Thegan griff nach ihrer Hand, und Hemma öffnete flatternd die Augenlider. Als sie ihn erkannte, lächelte sie ein wenig.
    »Es sieht nicht so aus, als ob alles so gehen würde, wie wir es uns erhofft haben …«, murmelte sie leise. »Es tut mir so leid, ich wollte es unbedingt allen zeigen – aber vielleicht hat mein Vater ja doch recht gehabt.«
    »Das darfst du nicht sagen!« Thegan schüttelte den Kopf. »Kann ich

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