Holunderliebe
Männern.
Hemma sah noch durchsichtiger aus als vorher, die hellen Haare klebten jetzt an ihren Schläfen. Trotzdem bemühte sie sich um ein Lächeln, als die drei Männer an ihr Bett traten. »Wenn ich euch so sehe, bekomme ich es mit der Angst zu tun. Ihr seht alle drei so aus, als ob ihr zu meiner Beerdigung antreten müsstet.«
»Mach keine Scherze, mein Kind!«, fuhr Routger sie an, um sich im nächsten Augenblick mit seiner großen Hand über das Gesicht zu fahren. »Verzeih mir.«
Stöhnend richtete sie sich etwas auf. »Immerhin ist das heute mein Hochzeitstag, wie es aussieht.« Sie nickte ihren Vater zu. »Du solltest allerdings lieber keine zu lange Rede halten, wir werden ohnehin ständig von Wehen unterbrochen.« Ihr Blick wanderte weiter zu Walahfrid. »Und dir muss ich danken, dass du überhaupt hier bist.«
Walahfrid lächelte ihr beruhigend zu. »Ich bin mir auch nicht sicher, ob es sich für einen Mönch wirklich schickt, am Bett einer gebärenden Frau zu stehen. Mein Gefühl sagt mir, dass die Regel meines Ordens das für eine unreine Sache hält und ich die nächsten vierzig Tage fasten muss, um wieder in den Zustand der Gnade zu kommen. Ich sollte von diesem Ausflug also nicht zu ausführlich erzählen.«
Routger sah Thegan und Hemma an. »Seid ihr bereit?«
Beide nickten.
Routger räusperte sich. »Dann wollen wir das möglichst schnell hinter uns bringen. Wir haben uns hier versammelt, um Thegan und Hemma zu Mann und Frau zu machen.« Er nahm die Hand seiner Tochter und legte sie in Thegans Hand. »Ich frage dich, lieber Thegan: Möchtest du die hier Anwesende Hemma, meine Tochter, zu deiner Gattin nehmen? Dann sprich: Ja, mit Gottes Hilfe.«
Mit fester Stimme wiederholte Thegan: »Ja, mit Gottes Hilfe. Und mit all meiner Liebe.«
Walahfrid konnte sich bei dieser eigenmächtigen Ausweitung der Antwort ein Lächeln nicht verkneifen. Routger wandte sich an Hemma: »Möchtest du den hier anwesenden Thegan zu deinem Gatten nehmen? Dann sprich: Ja, mit Gottes Hilfe.«
Hemma nickte. »Ja … mit Gottes Hilfe.« Ihre Stimme war nur noch ein heiseres Flüstern.
»Dann erkläre ich euch zu Mann und Frau.« Routger sah die beiden an. »Hemma ist jetzt dein. Du darfst sie küssen, auch wenn ich den Verdacht habe, dass ihr dafür meine Erlaubnis nicht abgewartet habt.«
Thegan lachte auf, während Hemma gleichzeitig zusammenzuckte und ihren Kopf fest in die Kissen drückte, um die nächste Wehe zu ertragen. Ihre Zähne gruben sich auf ihre Lippen, als sie versuchte, ein Stöhnen zu unterdrücken. Walahfrid sah sie besorgt an, stand auf und holte den Trunk aus dem Nachbarzimmer. Er gab Hemma den Becher in die Hand. »Trink das. Es sollte dir helfen.«
Sie nickte und hob den Becher gehorsam an ihre Lippen. Nachdem sie gekostet hatte, zog sie eine Grimasse und murmelte leise: »Das ist so scheußlich, dass Sterben gar keine schlechte Alternative wäre …«
»Trink den Becher trotzdem leer«, bat Walahfrid. »Ich habe große Hoffnungen, was diesen Trunk betrifft!«
»Dann möchte ich dich nicht enttäuschen«, erklärte sie, schloss die Augen und leerte den Becher bis zum letzten Tropfen. Dann ließ sie ihren Kopf wieder auf das Kissen fallen und schien in eine Art Schlaf zu fallen.
Thegan sah sie besorgt an. »Was denkst du – wie schnell wirkt dein neues Wundermittel?«, flüsterte er.
Ein Schulterzucken war die Antwort. »Ich habe keine große Erfahrung damit, tatsächlich ist mir diese Medizin erst in den letzten Tagen eingefallen.«
»Sie stammt nicht aus deinem Garten?« Thegan sah seinen Freund fragend an.
Abwehrend hob der die Hände. »Nicht wirklich. Ich erkläre es dir später.«
In diesem Moment erschien Bertrada hinter ihnen. »Ich würde sie gerne untersuchen, dafür sollte aber kein Mannsvolk anwesend sein. Wärt ihr so nett und wartet wieder vor der Tür? Habt keine Sorge, wenn irgendetwas passiert, werde ich euch sofort holen.«
Thegan streichelte noch einmal über Hemmas Stirn. Sie schien es nicht zu spüren und blieb reglos liegen. Vorsichtig beugte Thegan sich vor und beobachtete aufmerksam ihren Brustkorb. Erst als er erkennen konnte, dass er sich fast unmerklich hob und senkte, verließ er seine frisch angetraute Frau. »Pass gut auf sie auf«, murmelte er in Richtung der Hebamme, dann erhob er sich und ging durch das große Zimmer ins Freie. In diesem Moment wollte er nicht mit den beiden anderen Männern reden.
In der Straße fegte ein eiskalter Wind um die
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