Holunderliebe
ihn siehst, kannst du ihm ausrichten, dass ich ihn um ein Samenkorn von diesem Kraut anflehe. Ich denke, man kann damit viel Gutes bewegen. So manche Frau würde damit wohl überleben …«
Thegan zwang sich zu einem schiefen Grinsen. »Ich fürchte, auch Walahfrid hat heute sein letztes Samenkorn für Hemma gegeben. Er hatte nur sehr wenig davon – und wir haben jetzt alles verbraucht. Und ich werde kaum wieder in das Land gehen, aus dem dieser Same stammte.«
»Oh, das ist schade.« Bertrada sah tatsächlich unglücklich aus. »Aber solltet ihr durch irgendeinen Zufall doch noch einen Samen finden, dann lasst es mich wissen.«
»Sicher«, versprach Thegan. »Auch wenn ich dir keine allzu großen Hoffnungen machen kann. Womit kann ich dich denn bis dahin für deine Dienste entlohnen?«
»Ein Stück Tuch, drei Brote und ein Liter Öl. Du kannst es mir in den nächsten Tagen zu meinem Haus bringen. Vielleicht kann dich Hemma dann ja schon begleiten. Ein wenig Bewegung an der frischen Luft tut ihr dann sicher gut. Und ich würde mich freuen, euch alle drei zu sehen.«
Als sie an ihm vorbei durch die Tür ging, hielt Thegan sie kurz am Arm fest und sah ihr in die Augen. »Ich möchte dir noch einmal danken, dass du in diesen Stunden nicht von Hemmas Seite gewichen bist. Es ist auch dir zu verdanken, dass unsere kleine Tochter so gesund das Licht der Welt erblickt hat.«
Bertrada löste sich aus seinem Griff und lächelte. »Erinnere dich an deine Dankbarkeit, wenn ich einst in Not geraten sollte. Das wäre mir der größte Dank.« Und dann war auch sie verschwunden.
Als Thegan sich umdrehte, stand er Routger gegenüber. Die beiden Männer sahen sich an – jetzt als Schwiegersohn und Schwiegervater. Routger brach als Erster das Schweigen.
»Wie soll die Kleine denn heißen?«
»Irmingard – das haben Hemma und ich so beschlossen.«
»Das gefällt mir. Und auch Hemmas Mutter hätte es gefallen, dass sie einst ihrer Enkelin den Namen schenkt.« Er zögerte kurz, bevor er weiterredete. »Wie sehen jetzt deine Pläne aus? Du hast jetzt eine Frau und eine Tochter und kannst den beiden nicht einmal ein Dach über dem Kopf bieten. Oder soll ich etwa ausziehen und mir eine Kammer suchen, damit ihr hier leben könnt?«
»Natürlich nicht!« Thegan hob abwehrend seine Hände. »Es würde auch nicht zu meinen Absichten passen. Ich werde mir ein Stück Land einige Schritte von der Klosterstadt entfernt kaufen. Dorthin will ich ein Haus stellen und ein Gärtchen wie das des Walahfrid anlegen. Ich denke, mit diesen Kräutern kann ich in der Klosterstadt und im Kloster viel Gutes tun. Und so hat es auch einen Sinn, dass Walahfrid mir im vergangenen Jahr so vieles beigebracht hat.«
Routger zog seine Augenbrauen zusammen. »Und deine Familie? Du willst tatsächlich mit deinem Bruder brechen?«
»Madalfried wird mich nicht vermissen. Was soll er tun? Der Titel und das Haus meines Vaters gehören ihm schon. Ich wäre für ihn nur ein Gutsverwalter, den er für zwei Kammern in einem großen Haus und das Recht auf die Teilnahme am gemeinsamen Essen bei sich dulden müsste. Und ich würde nach wenigen Wochen seine Launen nicht mehr ertragen. Nein. Ich schicke ihm einen Boten, der ihm von meiner Heirat mit Hemma berichtet – und dann hoffe ich, dass er mich einfach vergisst. Meine Heimat und die deiner Tochter ist hier auf der Insel. So kannst du auch deine Enkelin heranwachsen sehen. Ich hoffe, das hilft dir ein wenig über den Abschiedsschmerz hinweg.«
Routger sah ihn eine Zeit lang an. Dann streckte er ihm seine große, schwielige Hand entgegen. »Ich muss mich bei dir entschuldigen. Ich hielt dich für einen dieser Adeligen, der glaubt, dass ihm einfach alles gehört, und der es sich auch nimmt. Jetzt muss ich sehen, dass du mehr an andere Menschen denkst, als ich es jemals für möglich gehalten habe. Wenn du es zulässt, dann würde ich dir gerne meine Hilfe beim Bau des neuen Hauses anbieten. Ich bin zwar nur ein Fischer, aber einen Balken kann ich auch aufrichten. Und gegen ein paar frische Fische aus dem Gnadensee wird wohl auch der eine oder andere Zimmermann mit anpacken!«
Thegan nahm die ausgestreckte Pranke seines Schwiegervaters in beide Hände. »Ich freue mich sehr, dass du uns beim Errichten unseres gemeinsamen Hauses helfen willst. Noch mehr aber bedeutet es mir, dass du damit meiner Verbindung mit deiner Tochter jetzt den Segen gibst.«
21.
D as Laptop war genauso dunkel wie die Welt vor
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