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Holunderliebe

Holunderliebe

Titel: Holunderliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Tempel
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Ich verspreche auch, es wird nicht zu spät. Und noch eine Bitte: Sagen Sie niemandem, was für einen Schatz Sie in Ihrer Werkstatt liegen haben. Wenn ich es mir angesehen habe, können wir uns immer noch überlegen, was wir damit anfangen, und vor allem, wie ich am besten erkläre, dass dieses Buch plötzlich bei mir gelandet ist …«
    »Gut, dann sehen wir uns heute Abend. Ich freue mich darauf, Sie kennenzulernen, Ihre Mutter hat so viel von Ihnen erzählt. Geben Sie ihr Bescheid, dass Sie kommen?«
    »Ja, das mache ich«, versprach ich. »Aber erst einmal muss ich mir ansehen, was Sie da gefunden haben.«
    Damit legte ich auf. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich mich ganz langsam aufs Bett setzte. Mit diesem Fund musste mir der Professor doch einen ordentlichen Schein geben. Und damit stand nichts mehr zwischen mir und meinem Abschluss an der Uni.
    Ich sah auf die Uhr. Wenn ich jetzt möglichst schnell duschte und meine Sachen zusammenpackte, konnte ich in zwei Stunden im Zug sitzen. Sechs Stunden später wäre ich dann bei meinen Eltern. Ein Blick auf den Fund der Buchbinderin, und mir wäre klar, was ich da in Händen hielt – da war ich mir ganz sicher. Wenn die Einschätzung der Buchhändlerin sich als richtig erwies, dann … Für einen Augenblick stöhnte ich auf. Dann musste ich mir etwas einfallen lassen. Denn es gab keinen einzigen vernünftigen Grund, warum ich ein knapp fünfhundert Jahre altes Buch in tadellosem Zustand bei einer Buchbinderin zur Restauration gegeben hatte. Dann musste ich meinen »Diebstahl« gestehen und würde wahrscheinlich aus diesem Grund unehrenhaft von der Uni fliegen. Höchstens mit einem Vermerk über meine Meriten beim Auffinden eines alten Manuskripts.
    Ich schüttelte den Kopf, um diese trüben Gedanken wieder zu vertreiben. Bestimmt würde ich feststellen, dass Brunhilde Reich einem großen Irrtum aufgesessen war. In jedem Fall blieb mir nichts anderes übrig, als nach Hause zu fahren und dieses Pergament in Augenschein zu nehmen.
    Acht Stunden später kletterte ich aus dem Vorortzug, der mich in den kleinen Ort an der Weinstraße gebracht hatte, wo meine Eltern lebten. Ich eilte durch die schmalen Gassen, bis ich die hell erleuchtete Werkstatt von Frau Reich gefunden hatte. An der Tür hing ein handgeschriebener Hinweis auf eine Katze im Laden – Hunde sollten deswegen bitte draußen bleiben.
    Ich fand mich in einem kleinen Raum wieder, wo auf einer Werkbank lauter Bücher in unterschiedlichstem Zustand lagen. Keines davon war mein Werk aus dem 16. Jahrhundert – und doch wusste ich, dass es hier irgendwo sein musste. In einer Klemme eingespannt, sah ich ein älteres Buch, es roch schwach nach Leim. Neugierig sah ich mich um, als auch schon eine ältere Frau aus einem Nebenraum kam und mich mit ausgestreckter Hand begrüßte.
    »Du musst Lena Opitz sein, du siehst genauso aus, wie deine Mutter dich immer beschrieben hat. Ich darf doch Du sagen?«
    Ohne weitere Vorreden schloss sie die Eingangstür ab und zog eine Jalousie nach unten – dann waren wir ungestört. Mit wenigen Handgriffen räumte sie alle halb fertigen Bücher zur Seite, griff in ein Fach unter der Werkbank und holte einen Kasten hervor, in dem ich sofort mein Handtuch wiedererkannte. Fast andächtig schlug Brunhilde den Stoff zur Seite, hob vorsichtig den Buchdeckel ab und legte ihn auf die Arbeitsfläche.
    »Das ist es. Was meinst du?«
    Vorsichtig trat ich näher. Überraschend klar und deutlich erkannte ich die Schrift auf dem alten Papier. Kaum ein Zeichen von Alter oder Unleserlichkeit. Ich fuhr neugierig mit den Fingerspitzen über das Papier – und hielt vor Überraschung für einen Augenblick die Luft an. Täuschte ich mich, oder ging von den sorgfältig geschriebenen Buchstaben so etwas wie ein magnetisches Feld aus? Es kribbelte fast unmerklich in meinen Fingern. Ich zog die Hand zurück und legte sie dann erneut auf das Pergament. Wieder ein leises Kribbeln.
    Ich sah die Buchbinderin an. »Das fühlt sich ja fast so an, als wäre es elektrisch aufgeladen. Könnte das sein?«
    Ein überraschter Blick hinter den Brillengläsern, dann ein Kopfschütteln. »Ich spüre nichts. Ich sehe nur eine alte Schrift in einem fast perfekten Erhaltungszustand. Was meinst du? Ist das echt? Ist es das, wofür ich es halte?«
    Ich zwang mich, das leise Kribbeln in den Fingerspitzen zu ignorieren, und betrachtete die Buchstaben genauer. Das gestochen scharfe Schriftbild, die leicht lesbare

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