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Holunderliebe

Holunderliebe

Titel: Holunderliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Tempel
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direkt unter der Haut, da kann einem leicht der Lebenssaft abhandenkommen.«
    Thegan richtete seine Beinkleider und warf sein Obergewand wieder über die Schultern. Mit einem leichten Stöhnen streckte er seinen Rücken. »Bisweilen wünsche ich mir, dass dieser Maure ein wenig beherzter zugestoßen hätte. Dann müsste ich mich jetzt nicht mit dunklen Träumen und Schmerzen herumquälen.«
    Walahfrid schüttelte den Kopf. »Das sind wahrlich sündhafte Gedanken. Wenn du überlebt hast, dann solltest du deinem Schöpfer auf Knien danken und nicht über die Schönheit des Todes nachdenken.«
    Der Adelige sah den Mann im Mönchshabit mit einem leisen Lächeln an. »Das kannst du nur sagen, weil du wenig über das Leben weißt. Aber ich verrate dir, dass es nicht immer eitel Sonnenschein ist – auch dann, wenn bei den Mauren die Sonne fast ohne Unterlass vom Himmel scheint.«
    »Dich quälen böse Träume, die dir den Schlaf rauben?« Walahfrid sah ihn fragend an, und während die beiden Männer wieder aus der Kammer in die helle Frühlingssonne traten, schien der Mönch nachzudenken. Dann deutete er in die Richtung seines kleinen Gartens. »Bitte verstehe mich nicht falsch, ich möchte dich als Gast der Insel Sintlasau natürlich nicht zu niedrigen Diensten verpflichten. Aber wenn du mir in meinem Gärtchen helfen willst, dann verspreche ich dir, dass du schon bald die heilsame Wirkung der Arbeit deiner Hände mit dem fruchtbaren Boden und den Pflanzen verspüren wirst. Viele ungute Gedanken werden durch die Beschäftigung mit dem Säen, dem Wachsen und dem Ernten schnell vertrieben.«
    »Was soll ich tun? Mit der Hacke den Boden bearbeiten?« Thegan sah sein Gegenüber so entsetzt an, als hätte ihm dieser eine Beleidigung an den Kopf geworfen.
    Unbeirrt nickte Walahfrid. »Zum Beispiel. Womit wolltest du denn die nächsten Tage und Wochen verbringen? Du bist jetzt etwa seit dem Jahreswechsel Gast in unserem Kloster, und ich sehe nicht, dass es dir besser geht. Im Gegenteil: Es scheint mir, dass du immer mehr Zeit mit düsteren Grübeleien verbringst und deine Stirn sich bewölkt.«
    »Gartenarbeit schickt sich aber nicht für den Sohn eines Adeligen!«, erklärte Thegan. »Wir sind nicht von Gott ausersehen, um den Boden zu bearbeiten. Unsere Aufgabe ist der Dienst mit der Lanze, das Streiten für die Macht unseres Königs.«
    »Und was hat dir das bis jetzt gebracht?«, fragte Walahfrid lächelnd. »Narben und Traurigkeit. Aber ich wollte dich nicht mit meiner Idee entsetzen. Allerdings habe ich bei mir selbst eine größere Freude an den Dingen des Lebens festgestellt, seit ich mich mit meinem Garten beschäftige.«
    »Dann möchte ich dich dabei nicht weiter stören«, meinte Thegan. »Und meinen herzlichen Dank für deine angebotene Hilfe mit den Kräutern, die ich gerne annehmen möchte. Lass es mich wissen, wenn die Umschläge fertig sind für eine Anwendung.«
    »Sicher.« Der Mönch nickte und ging zu seinem Garten. Nicht mehr lange und die Glocke zum Abendgebet würde seinen Tag beenden. Dann würde er wieder in das Halbdunkel der Kirche zurückkehren und sich der Meditation und dem Gebet widmen.
    Thegan sah ihm nachdenklich hinterher. Der Mönch schien ihm von einer Reife, die seinen Jahren weit voraus war. Doch sein Ansinnen, einen Adeligen für Frondienste im Garten einsetzen zu wollen, war mehr als seltsam. Der gute Wille, den er dahinter sehen konnte, hielt seinen Zorn allerdings in Grenzen. Unschlüssig blickte er sich um. Der Abt, mit dem er sich oft bei Unterhaltungen über den König und seine Pläne die Zeit vertrieb, weilte zu einem Besuch in Speyer oder gar in Aachen. Er erinnerte sich nicht genau, hatte ihm wohl doch nicht mit der nötigen Aufmerksamkeit zugehört und wieder seine Gedanken wandern lassen.
    Langsam ging Thegan durch den Kreuzgang mit den gemauerten Bänken in den Speisesaal, wo alle Bewohner des Klosters ihre abendliche Mahlzeit einnahmen. Um diese Tageszeit waren die Bänke fast ausschließlich mit Mönchen gefüllt, das Kloster beherbergte nur wenig Besuch. Es war noch zu früh im Jahr, die Wege waren noch aufgeweicht und machten das Reisen beschwerlich.
    Thegan setzte sich an den Tisch zu einem Boten, der mit einer Geschwindigkeit die Bohnensuppe löffelte, als fürchtete er, nie wieder etwas zu essen zu bekommen. Er suchte sich seinen Platz einige Schritte von ihm entfernt aus, setzte sich nieder und ließ sich das dünne Bier schmecken, das die Mönche der Sintlasau zu

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