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Holunderliebe

Holunderliebe

Titel: Holunderliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Tempel
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allen Mahlzeiten ausschenkten. Das leise Klappern der Holzlöffel lenkte ihn kaum ab, während seine Gedanken bei der schweigsamen Mahlzeit auf Wanderschaft gingen. Wie friedlich es hier doch war, während der Krieg gegen die Mauren im Land der Spanier mit unverminderter Härte anhielt. Dort schlitzten sich die jungen Menschen weiterhin die Bäuche auf – und hier freuten sich immer noch alle des täglichen Lebens und träumten von nichts Größerem als einer guten Ernte.
    »… und wohin wird dich deine Reise führen?«
    Unbemerkt hatte sich der Bote neben Thegan gesetzt. Die Gäste des Abtes waren vom Schweigegebot der Mönche ausgenommen, und offenbar hatte der Mann – nachdem er seinen Hunger gestillt hatte – beschlossen, ein wenig mit Thegan zu plaudern.
    Der Adelige bemühte sich um ein Lächeln. »Verzeih, ich war im Gebet versunken und habe dir nicht mein Gehör geschenkt. Was war dein Ansinnen?« Im Zweifelsfall war es immer besser, wenn man ein bisschen zu sehr im Glauben versunken war – und nicht einfach nur den eigenen dunklen Gedanken nachhing.
    »Ich wollte dich nicht in der Kontemplation stören!«, beteuerte der Bote. »Ich war lediglich neugierig ob des Weges, den du in den nächsten Tagen einschlagen wirst. Es besteht ja vielleicht die Möglichkeit, dass wir ein Stück des Weges gemeinsam zurücklegen.«
    Kein ungewöhnliches Ansinnen. Die Wälder waren dicht, und auf den schmalen Wegen war allerlei gefährliches Gelichter unterwegs. Da konnten zwei Reisende einander gut Schutz gewähren.
    Thegan hob entschuldigend die Hände. »Ich gedenke die Gastfreundschaft des Abtes noch etwas länger zu genießen. Meine Wunden sollten nach der Rückkehr von den Kriegen gegen die Mauren heilen, bevor ich neue Ziele in Angriff nehme.«
    Der Mann mit dem dunklen wollenen Wams nickte verständnisvoll. »Ich habe schon manch Schauriges von diesen Kämpfen gehört. Stimmt es denn, was man sich erzählt? Dass Mauren ihre Gefangenen bei lebendigem Leibe häuten und sie zwingen wollen, ihrem Gott abzuschwören?« Er leckte sich über seine Lippen, als wäre er besonders gierig darauf, Schauermärchen von diesen Kriegen zu hören.
    Müde schüttelte Thegan den Kopf. In seinem Kopf entstand wieder das Bild des dunkelhäutigen Arztes, der sich nach seinen tiefen Verletzungen tagelang um ihn gekümmert hatte. Die mitfühlenden Augen, mit denen dieser Mann ihn immer wieder gemustert hatte, würde er ganz sicher nie wieder vergessen. Ohne ihn hätte er sein Leben sicher an den Wundbrand verloren. Doch als die Franken die Mauren wieder zurückdrängten, hatte dieser Medicus ihn zurückgelassen. Thegan hatte in den Händen der Bader und Wundheiler seines eigenen Volkes schlimmere Qualen erlitten als unter der Obhut des Mauren. Die Welt war nicht so einfach, wie viele Mächtige es sich hinter den Mauern ihrer Paläste ausmalten.
    »Also sprich! Stimmt es?« Der Bote sah ihn immer noch auffordernd an, und Thegan wurde bewusst, dass er sich wieder einmal in seinen Gedanken und Erinnerungen verloren hatte. Er schüttelte nur den Kopf. »Nein. Mir drängt sich vielmehr der Verdacht auf, dass die Mauren mehr Bildung und Anstand haben, als so mancher Franke in seinem Leben jemals erreichen wird.«
    »Das ist eine Frechheit, was du da sagst!«, rief der Mann. »Wie sollten diese Wilden über Anstand verfügen, wenn sie doch keinen Gott haben, zu dem sie beten können!«
    Thegan erhob sich, nickte möglichst höflich zum Abschied und erklärte: »Und doch ist es die reine Wahrheit. Die wenigsten sind allerdings in der Lage, sie zu erkennen.«
    Damit ging er wieder hinaus und zog sich auf sein Lager zurück, während draußen die Sonne unterging. Das Zimmer war klein, und nur durch einen schmalen Spalt fiel etwas Licht hinein. Und doch war der Raum für Thegan der reine Luxus. Hier hatte er sich zum ersten Mal seit Jahren ein wenig zurückziehen können. Allein mit seinen eigenen Gedanken – das war für ihn der eigentliche Himmel. Das dünne Bier und die lange Wanderung, die er an diesem Tag unternommen hatte, taten ein Übriges. Schon bald fiel er in einen tiefen Schlummer.
    Allerdings währte der Schlaf nicht einmal bis zur Mitte der Nacht. Schweißgebadet fuhr Thegan auf, strich mit seinen fahrigen Fingern die feuchten Locken aus seiner Stirn. Wieder das Feuer, wieder die Hände, die ihn auf dem Boden festhielten, wieder der brennende Schmerz in seiner Seite und an seinem Bein. Mühsam richtete er sich auf und

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