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Holunderliebe

Holunderliebe

Titel: Holunderliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Tempel
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wirklich wahr? Du bist wieder guter Hoffnung?«
    »Ich bin mir noch nicht sicher«, flüsterte Rothild. »Deswegen darfst du auch niemandem davon erzählen. Aber meine Blutung ist schon seit dem letzten Monat nicht mehr gekommen, und ich habe das Gefühl, in meinem Leib wächst wieder etwas heran.« Sie strich sich über den Bauch. »An der Zeit wäre es ja, die Geburt von Winidolf liegt schon mehr als ein Jahr zurück. Ich habe schon befürchtet, ich könne keine weiteren Kinder bekommen.«
    »Rede doch keinen Blödsinn«, sagte Hemma. »Du wirst noch einen ganzen Stall voller Kinder haben, bevor mein Vater auch nur einen Mann für meiner würdig erachtet. Ich werde als alte Jungfer sterben, während du als geachtete alte Familienmutter enden wirst.« Sie lachte, doch ihre Stimme hatte einen bitteren Beiklang.
    Noch bevor Rothild antworten konnte, erreichten sie die Tür von Hemmas Vater. »Wir sehen uns später am Tag, ja?«, sagte Hemma. »Ich will alles über deine Neuigkeiten wissen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie sich so etwas anfühlt.«
    »Sicher! Wir treffen uns mittags, in Ordnung? Dann schläft der kleine Winidolf, und ich kann mir eine Pause gönnen.«
    Die beiden Freundinnen umarmten sich flüchtig, dann schob Hemma die Tür des kleinen Steinhauses auf, in dem sie mit ihrem Vater wohnte, seit sie denken konnte. Entschlossen griff sie zum Reisigbesen und fegte den festgetretenen Erdboden mit schnellen Bewegungen. Sie wollte es sich kaum eingestehen, aber sie war eifersüchtig auf ihre beste Freundin. Rothild durfte ein eigenes Leben führen, während sie wohl bis an das Ende ihrer Tage ihrem Vater den Haushalt führen musste. Wahrscheinlich gab er sie nur deswegen nicht in die Hand eines Ehemannes, da er fürchten musste, dann niemanden mehr zu finden, der sich um ihn kümmerte. Sollte er doch wieder heiraten, es würde sich bestimmt eine Frau für einen Fischer aus der Klosterstadt finden. Nach den harten Jahren, die hinter ihnen lagen, war jeder froh, der noch lebte und ein Auskommen hatte. Routger war jetzt seit siebzehn Jahren Witwer, das sollte als Trauerzeit reichen, egal wie wunderbar Hemmas Mutter gewesen sein mochte.
    Sie nahm das Brot vom Tisch, wickelte es in ein sauberes Stück Leinen und legte es wieder zurück. Die Versuchung, doch noch ein Stück davon abzubrechen, war groß – aber sie sollte doch erst neues Brot backen. Wenn Routger von seinem Tagwerk auf dem See wiederkam, wollte er etwas essen. Sie warf einen Blick auf den Sauerteig, der schon einige Zeit ging. Heute Vormittag würde sie den Laib ins Backhaus bringen.
    Vom Kloster her hörte Hemma die Glocke zur Prim rufen. Bald würde die Klosterstadt von Sintlasau zum vollen Leben erwachen und das übliche Geschrei und Gedränge auf den engen Gassen beginnen. Sie lauschte dem Klang der Glocken und stellte sich vor, wie die Mönche durch die Morgendämmerung in die Kirche huschten und sich dort in das Gebet vertieften. Dort herrschte Stille und Schweigen – ganz im Gegensatz zu dem Leben, das hier tobte. Sie für ihren Teil war froh, am vollen Leben beteiligt zu sein. Wer wollte schon den größten Teil des Tages schweigen und die halbe Nacht beten – oder sich nur mit Handzeichen verständlich machen?
    Mit einem Kopfschütteln zog sie die Tücher über den Strohmatratzen glatt und schnippte eine einsame Wanze davon, die sich aus dem Staub machen wollte. Sobald die Kräuter wieder in voller Blüte standen, musste sie die Matratzen wieder erneuern. Nur das duftende Kraut, gemischt mit den Gräsern und dem Stroh, sorgte dafür, dass sie von allzu vielen Bissen und Stichen in der Nacht verschont wurden.

5.
    Gleichwohl hat doch mein Garten von dem,
was man einst ihm vertraute,
nichts ohne Hoffnung auf Wachstum untätig
im Boden verschlossen.
    M it wenig Appetit stocherte Thegan in seinem lauwarmen Brei herum, der häufig zum Frühstück gereicht wurde. Ein Mönch hatte ihm am Anfang seines Aufenthaltes auf der Sintlasau zugeraunt, es handele sich um den »Brei der Prüfung«. Wenn das stimmte, dann scheiterte er jeden Morgen jämmerlich. Er konnte sich für diese Mischung aus Getreide und Wasser nicht erwärmen, auch wenn sie bestimmt gut nährte. Allein ein paar Gäste von den Inseln im Norden hatten sich mit Begeisterung auf diesen Brei gestürzt und mehrmals geäußert, dass es sich dabei um eine wahre Delikatesse handele. Merkwürdiges Volk, diese Inselbewohner. Thegan sehnte sich in diesen Augenblicken nach den

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