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Holundermond

Holundermond

Titel: Holundermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Wilke
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zwischen ihm und seinem Vater in der Eisdiele mitbekommen hatte.
    Nele zuckte mit den Achseln und schlüpfte an Giovanni vorbei ins Haus. Als Flavio sie die Treppe hinauflaufen hörte, war er sich aber nicht mehr so sicher, ob es eine gute Idee gewesen war, sie wegzuschicken. Unsicher sah er zu seinem Vater.
    »Wo kommt ihr her?«
    Flavio überlegte fieberhaft. Wusste sein Vater vielleicht gar nicht, dass sie im Kloster gewesen waren? Was, wenn Holzer noch gar nicht mit ihm gesprochen hatte? Konnte er nicht einfach erzählen, dass sie spazieren waren? Nein, er brachte es nicht übers Herz, seinen Vater anzulügen. Nicht, wenn er ihn so ansah. »Wir waren im Kloster«, murmelte er und wartete auf das Donnerwetter, das mit Sicherheit jetzt über ihn hereinbrechen würde. Aber nichts dergleichen geschah. Giovanni deutete nur mit einem Kopfnicken hinter sich. »Wir sprechen in der Bibliothek darüber.« Dann drehte er sich um und ließ seinen Sohn stehen. Flavio atmete tief aus, straffte die Schultern und folgte ihm.
    Sein Vater stand mit dem Rücken zu ihm am Fenster und schaute hinaus. Verlegen trat Flavio von einem Fuß auf den anderen. Wenn sein Vater doch nur endlich reden würde. Er war auf einen Zornausbruch gefasst gewesen, einen Tobsuchtsanfall. Alles hätte er ertragen. Aber nicht dieses Schweigen.
    Giovanni seufzte tief. »Warum?«, fragte er mit leiser Stimme und drehte sich nicht einmal zu ihm um. »Warum machst du es mir so schwer?«
    Fast wären Flavio die Tränen in die Augen geschossen. »Ich wollte Nele helfen. Jan ist verschwunden und irgendwie hängt alles mit dem Altarbild zusammen.« Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus. »Bitte, du musst mir glauben. Wir haben herausgefunden, dass Holzer hinter den Kirchendiebstählen steckt. Das kann ich beweisen.«
    Als sein Vater sich zu ihm umdrehte, wusste Flavio, dass er ihm kein Wort glaubte. Die Enttäuschung in seinem Gesicht schmerzte mehr, als jeder Wutausbruch es gekonnt hätte.
    »Ich weiß, dass dir deine Mutter fehlt«, begann Giovanni.
    Flavio wollte den Kopf schütteln. Sie fehlte ihm ja gar nicht, er hatte sie kaum gekannt. Aber er wusste, wie sehr sein Vater sie vermisste. So oft hatte er ihn dabei beobachtet, wie er leise mit dem zerknitterten Foto sprach, das er stets bei sich trug. Deshalb schwieg er.
    »Ich hatte gehofft, wir könnten es trotzdem schaffen«, fuhr Giovanni fort. »Ich weiß, ich hatte oft zu wenig Zeit für dich, aber ich hatte den Eindruck, dass wir gut miteinander klarkommen. Sicher hatten wir manchmal Streit, aber eigentlich haben wir es doch immer irgendwie gepackt, oder?« Giovanni schaute Flavio nicht an. Er sprach mehr zu sich selbst, und er sprach so leise, dass Flavio sich anstrengen musste, ihn überhaupt zu verstehen. Flavioschluckte und schluckte, aber der Kloß in seinem Hals wollte nicht verschwinden.
    Dann sah Giovanni ihm in die Augen. »Was soll ich nur mit dir machen? Du ignorierst meine Verbote völlig. Soll ich dich einsperren? Willst du das?«
    Unwillkürlich machte Flavio einen Schritt zurück. Aber sein Vater hatte sich schon wieder von ihm abgewandt und schaute nach draußen.
    »Holzer hat mir angedroht, das Café zu schließen. Ich dachte, das hättest du verstanden. Du gefährdest unsere Existenz, Flavio, du setzt alles aufs Spiel, was wir haben.« Giovanni drehte sich wieder zu ihm um. »Ich hätte dich für vernünftiger gehalten.«
    Flavio musste sich auf die Lippen beißen, um nicht laut loszuschreien vor Verzweiflung.
    Zornig ballte er die Fäuste und rang nach Worten. »Du musst mir glauben, verdammt!
Babbo
! Papa! Hör mir doch zu. Holzer ist nicht der, für den er sich ausgibt. Er stammt aus einer anderen Zeit. Er hat vermutlich Jan entführt. Wir wissen noch nicht warum, aber er ist auch der Dieb, der …«
    Giovannis Faust donnerte auf den Tisch. »Kein Wort mehr!« Er streckte den Arm aus und zeigte zur Tür. »Du gehst jetzt in dein Zimmer und fängst an zu lernen. Die Listen habe ich dir auf dein Bett gelegt.« Giovanni hielt Flavio die Tür auf. »Du hast Hausarrest bis zum Ende der Ferien. Nur zum Essen will ich dich außerhalb deines Zimmers sehen. Haben wir uns verstanden?«
    Blind vor Tränen stürzte Flavio an seinem Vater vorbei und stürmte die Treppe hinauf. Er stieß Nele zur Seite, die oben am Treppenabsatz stand, rannte in sein Zimmer und warf die Tür hinter sich zu.

24
Kartause Mauerbach, 1783 n.Chr
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    »Komm, Sami, du musst etwas essen. Du willst doch ein großer

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